Grafik Journalistinnenbund

Ansprachen Friederike Sittler bei der jb-Jahrestagung 2022

Sissi Pitzer, stellvertretende Vorsitzende des Journalistinnenbundes, kündigt die Begrüßungsrede für Lisa Paus an. Friederike Sittler, Vorsitzende des Journalistinnenbundes, sprach von zu Hause aus – wegen ihrer Coronainfektion in häuslicher Isolation.

Friederike Sittler und Sissi Pitzer, jb-Vorsitzende und Stellvertreterin, eröffnen gemeinsam, virtuell und in Präsenz, die jb-Jahrestagung am 11. Juni 2022 in Berlin / Foto: Cathrin Bach

Begrüßungsrede zur Eröffnung:

Friederike Sittler, Vorstandsvorsitzende des Journalistinnenbundes, war coronabedingt aus häuslicher Isolation zugeschaltet.

„… Nun also Plan B, da ich als Vorsitzende nicht vor Ort dabei sein kann. Aber denke niemand, wir würden uns davon erschüttern lassen. Viele haben geholfen, und dieses gemeinsame Engagement zeichnet für mich den jb aus, der im Oktober vor 35 Jahren gegründet wurde.

Ich treffe auf viele unterschiedliche Frauen mit vielfältigen Fähigkeiten und Erfahrungen, die vielleicht nicht auf den ersten Blick divers scheinen, aber keinesfalls homogen sind.

Für mich steht der jb dafür, dass jede ihre Biographie, ihre Identität, ihre Orientierung teilen kann, aber keine muss. In erster Linie geht es um berufliche Erfahrungen, so wie auch gleich beim Podium.

Frau in den Medien zu sein, reicht bei uns völlig aus. Oder muss ich sagen: „reichte?“ Darüber werden wir heute diskutieren.

Vorab wollten wir im Vorstand mehr über unseren Verein wissen, haben eine interne Umfrage gestartet und 150 Rückläufe bekommen. Eine gute Zahl. Obwohl wir keine Statistikerinnen sind und nicht Alle alle Fragen beantwortet haben, bieten uns die Ergebnisse eine gute Orientierung.

Sind wir also ein Verein alter weißer Frauen?

Ja, auch, denn wir haben treue Mitglieder. Wie schön. Insgesamt bietet sich ein buntes Bild, auch die Jüngeren sind im Verein, eher fehlen die Frauen zwischen 40 und 50. Vielleicht haben sie nicht in großer Zahl bei der Umfrage mitgemacht, aber vielleicht macht es sich jetzt bemerkbar, dass vor 10 Jahren Pro Quote gegründet wurde, deren Vorsitzende Edith Heitkämper heute bei uns ist. Auch hier gilt ganz klar: Solidarität statt Konkurrenz.

Wenn wir sehen, wie viele in unserem Verein Kinder unter 18 haben oder aber erwachsene Kinder und damit Erziehungszeiten in ihrer Biographie, dann wissen wir, welche großes Thema für uns die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein muss.
Zudem ist über die Hälfte freiberuflich tätig, von den Festangestellten sind sehr viele in leitenden Funktionen.

Im Verlauf des Tages präsentieren wir noch mehr Umfrageergebnisse, denn uns ist wichtig,
Vielfalt zu erkennen und zu fördern.

Ich sehe darin eine große Chance: Vielfalt Vereint Medienfrauen

Wir wollen Solidarität statt Konkurrenz: Es soll nicht die eine Frau weichen, damit eine andere, stärker marginalisierte, zum Zuge kommt. Es sollen beide ihren Platz haben, denn noch haben wir die 50% Macht, Gestaltungsmacht, Anteil an den Gehältern und Honoraren, nicht erreicht.

Als Frauen müssen wir wachsam bleiben, denn während wir noch diskutieren, droht die Gefahr, dass Männer an Deutungs- und Handlungsmacht wieder hinzugewinnen, sich herzlich wenig um Vielfalt kümmern.

Wir haben gesehen, wie sehr schon die Corona-Pandemie und nun der Krieg männliche Sichtweisen die Oberhand gewinnen lässt.

Ursprünglich hatten wir diesen Vormittag anders geplant. Seit Ende Februar aber war klar, dass wir als jb, für den der Blick über die deutschen Grenzen hinaus (erinnert sei nur an die AG Brave im Zuge des arabischen Frühlings) immer selbstverständlich war, aktuell reagieren.

Schauen wir uns die Bilder vom Krieg an – schließlich ist die Bildsprache in den Medien das Thema, das wir uns nach der geschlechtergerechten Sprache nun intensiver anschauen. Welches Bild von Wirklichkeit zeichnen die Medien?

Wir sehen Männer in Uniform, Mütterchen mit Kopftuch vor ausgebrannten Ruinen, geflohene Frauen mit ihren Kindern.

Putins Propaganda-Bilder werden reproduziert: Der Machtmensch mit nacktem Oberkörper, beim Eishockey, mit ausgebreiteten Armen am Schreibtisch.

Sehen wir dagegen ukrainische Frauen in Uniform, in Entscheidungssituationen? Welche Bilder von Frauen in Russland sehen wir überhaupt noch?

Erfreut nehme ich wahr, dass über diesen Krieg relativ viele Frauen berichten. Unterscheidet sich ihre Berichterstattung von der der Männer? Diese Frage leitet uns heute Vormittag.

Wir freuen uns sehr, dass wir Frauen aus der Ukraine, aus Belarus und aus Deutschland mit ihrem Blick auf den Krieg gewinnen konnten.

Das Bekenntnis zur grenzenlosen Solidarität wird sich über den Vormittag hinaus durch den Tag und den Abend ziehen. Herzlichen Dank allen Beteiligten.“

Zum Anhören der Originalrede → Mitschnitt auf YouTube (9’17 bis 18’17 Min.)

 

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Begrüßung für Bundesministerin Lisa Paus:

Bildschirm mit Friederike Sittler, die spricht, dahinter sitzen zuhörend die Ministerin und die stellvertretende jb-Vorsitzende

Sissi Pitzer und Lisa Paus hören der jb-Vorsitzenden Friederike Sittler auf dem großen Bildschirm der Bühne zu. / Foto: Cathrin Bach

Um 12 Uhr kam die Bundesfrauenministerin für eine Keynote zur Jahrestagung. Friederike Sittler, wiederum zugeschaltet, stellte der Ministerin in einer Rede Arbeit und Engagement des Journalistinnenbundes vor.

„Wir Journalistinnen sind neugierig, von Berufs wegen.

Als neue Ministerin, liebe Frau Paus, sind Sie aber vermutlich auch neugierig, wer dieser jb ist.

Bei uns ist drin, was drauf steht: Frauen in den Medien und dies seit 35 Jahren.

Freie, Festangestellte bis zur Frau in Führungsverantwortung.

Feministisch – vielfältig – engagiert

Nun aber wird’s kompliziert.

Frau? Reicht Frau noch? Cis-Frau? Homo, hetera, queer? Nicht-binär oder oldfashioned?

Das Schöne an unserem Beruf: Wir sind die, die die Fragen stellen, und dürfen neugierig sein, welche Antworten Sie geben.

Wie viel Benennung der Vielfalt ist nötig? Lässt sie sich quotieren?

Wir, die wir für 50% Frauen in allen Bereichen sind, sollten somit automatisch auch für 30% für die und 10% für die anderen und nochmal fünf für jene Gruppe sein? Wie zählen wir die, die mehrere Merkmale auf sich vereinen? Wie die, die keine Angaben machen wollen?

Muss die eine Frau Platz machen für die andere, die bislang besonders marginalisiert war?

Und was machen derweil eigentlich die Männer?

Eine interne Umfrage des jb, an der sich 150 Mitglieder beteiligt haben, hat gezeigt, dass unsere Frauen vielfältige Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht haben: Geschlecht, Alter, erschwerte Zugänge zu finanziellen Ressourcen und zur Bildung, die sichtbare Migrationsgeschichte, Rassismuserfahrung oder auch die Herkunft aus Ostdeutschland. Zur ostdeutschen Herkunft gibt es übrigens ein echtes Manko im jb und im deutschen Journalismus.

7% unserer an der Umfrage beteiligten Mitglieder sind im Ausland geboren, zudem haben bei 11% die Eltern eine Migrationsgeschichte, die Herkunftsländer sind dabei sehr unterschiedlich.

Wir sind als jb Frauen in den Medien, in der Umfrage haben aber 3 Personen und damit über 2% als Identität non-binär angegeben – deutlich über dem gesellschaftlichen Schnitt.

Interessant für uns im Vorstand war, dass wir den inzwischen üblichen Begriff der cis Frau verwendet haben, dass aber so manche Frau dies als Fremdbezeichnung empfand. Sie legten Wert darauf, schlicht Frau zu sein, ohne cis.

Einwände gab es auch zu dem Begriff homosexuell, denn der sei männlich konnotiert, präferiert wurde von einigen die Bezeichnung lesbisch.
Festzustellen ist, dass bei uns in der Umfrage nur 80% heterosexuell angaben, deutlich weniger als im gesellschaftlichen Schnitt. Der jb ist offenbar queerer als andere Gruppierungen.

Das führt mich zum Selbstverständnis des jb:

Wir engagieren uns für umfassende Gleichberechtigung, treten für Veränderungen ein, z.B. bei der ungleichen Bezahlung und den Machtanteilen.
Bei uns sind alle Frauen willkommen, die im Journalismus tätig sind.

Dies gilt unabhängig von ihrer Herkunft, mit wem sie ihr Leben teilen, ob sie Kinder haben oder keine, ob sie aus prekären oder etablierten Verhältnissen stammen, aus Ost- oder West, wie alt sie sind, ob sie eine Behinderung haben, oder welche religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen.
Genau diese Vielfalt zeichnet unser Netzwerk aus.

Keine muss, jede kann ihre biographischen Erfahrungen, ihre Identität einbringen.

Was uns eint, ist das Engagement. Für Frauen. Für Qualitätsjournalismus. Für Gleichberechtigung.

Genau diese Offenheit wollen wir leben, den Dialog zwischen Feministinnen unterschiedlicher Generationen und Herkunft fördern und voneinander lernen, in gegenseitigem Respekt.

Vielfalt.Vereint.Medienfrauen. Solidarität statt Konkurrenz.“

Zum Anhören der Orinalrede → Mitschnitt auf YouTube (6’48 – 13’16 Min.)