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Eine Frau, ein Thema, eine Bühne

Delia Browne auf der re:publika 2014. (Rechte: re:publica/Gregor Fischer CC-BY-SA 2.0)

Delia Browne auf der re:publika 2014. (Rechte: re:publica/Gregor Fischer CC-BY-SA 2.0)

Die Entwicklung der Netzkonferenz re:publica zeigt: Das emanzipatorische Potenzial des Netzes ist groß. Hartnäckige Frauen, offene Diskurse und ein Klima, in dem Diskriminierungen reflektiert werden und Inklusion ernst genommen wird, tragen dazu bei, dass der Wandel immer weiter geht.

Am Dienstag startete in Berlin die jährliche Netz- und Social-Media-Konferenz re:publica. Drei Tage lang werden sich Menschen aus aller Welt in Vorträgen, Paneldiskussionen, Workshops und natürlich zwischen den Sessions gegenseitig inspirieren, auf den aktuellen Stand von Kultur, Technik und auch politischen Debatten setzen, bestandpunkten, der Debatte stellen, in den Raum werfen und austauschen. Es ist ein volles Programm mit vielen verschiedenen Rednerinnen und Rednern. Es ist voll und bunt und divers. Das war nicht immer so.

„Wenn Frauen bloggen…“

Meine erste re:publica besuchte ich im Jahr 2009. Damals war ich gerade ein Jahr lang Bloggerin im feministischen Weblog Mädchenmannschaft, das mit einem BOB-Award der Deutschen Welle ausgezeichnet worden war, das für den Alternativen Medienpreis und den Grimme Online Award nominiert war und das in der deutschen Blogosphäre für einiges an feministischen Impact sorgte – ohne angeben oder mich aufspielen zu wollen, möchte ich kurz klarmachen, dass es sich um ein Blog von Relevanz handelte, und es war einer der Akteure, die in Deutschland dafür sorgten, dass Feminismus im Netz präsent und laut wurde. So kam ich auf die Idee, einen Überblick über feministische Netzkulturen international zu geben. Wie hatte sich das in den USA und in Großbritannien zuvor entwickelt (denn dort kam die Bewegung her)? Und wohin könnte es gehen?

So reichte ich einen entsprechenden Vorschlag ein und bekam auch eine Mail von den Organisatorinnen der re:publica mit der Information, man würde mich gerne auf ein Panel setzen.

ABER… Es sollte nicht, wie von mir eingereicht, ein Panel mit einem Überblick über feministische Netzkulturen werden, sondern eines mit dem Titel: „Wenn Frauen Bloggen – Warum Babykotze genauso relevant ist wie das iPhone“. Auf dieses Panel, so schien es, setzte man eben alle bloggenden Frauen, völlig unabhängig von ihren Themen.

Ein Mann, ein Thema, eine Bühne

Als ich dann auf der re:publica ankam, die damals noch in der Kalkscheune stattfand, und mir das Programm durchlas, wurde mir klar, dass hier vor allem Männer Bühnen bekamen. Und zwar für jedes einzelne ihrer Themen. Frauen saßen sehr selten dazwischen, ich erinnere mich an eine Diskussionsrunde mit drei Männern und der Bloggerin Julia Seeliger. Es gab Frauen bei der Twitter-Lesung und eben auf dem Panel „Wenn Frauen bloggen“. Schon der Titel implizierte so viel Blödsinn: Wenn Frauen bloggen, geht es dann um Babykotze, und wenn Männer bloggen, um das iPhone?

Bloggen Frauen also anders? Ganz anders und vor allem auf eine Art und Weise, die als weniger relevant gilt – zumindest bislang? Was mich aber am meisten geärgert hat, war die Tatsache, dass man dort offenbar all jene hingesteckt hat, die weiblich waren und einen Vortrag eingereicht hatten. So wie man es ja auch mit mir versucht hatte. Zum Glück hatte ich mich gewehrt, zum Glück hartnäckig und zum Glück hat man uns eine eigene Bühne gegeben. Mit einer sehr konstruktiven anschließenden Debatte.

Die anderen Frauen waren auf dieser Konferenz genau das: das Andere. Das von der Norm Abweichende, und die Norm war hier ganz offensichtlich das Männliche. So war die re:publica bis in das Jahr 2009 aufgestellt gewesen. Und niemandem war das bis dahin aufgefallen.

Frauen als Akteurinnen und Expertinnen 

Die anschließende Debatte über die mangelnde Vernetzung von Frauen in Blogs und Social Media war äußerst produktiv. Auch die Frage, warum Frauen so wenig Raum auf den Bühnen bekamen, wurde laut gestellt. Seit 2009 hat sich in der Blogosphäre sehr viel getan und es ist viel Bewegung in die Digitale Gesellschaft gekommen. Das liegt daran, dass die meisten Akteure sehr offen und einsichtig waren und auch ein Interesse daran hatten, dass die Schieflage sich änderte. Es gibt seither eine echte Quote bei der re:publica, es gibt eine Speakerinnen-Datenbank, es gab das Gendercamp, es gibt das Frauen-Barcamp, es gibt die Girls on Web Society und die Digital Media Women, da sind die Rails Girls und mea culpa für alle Organisationen und Vernetzungsstrukturen, die ich vergessen habe oder noch nicht kenne – jedenfalls hat sich eine ganze Menge getan, und das ist bemerkbar. Deutlich.

Zum Beispiel daran, dass sowohl auf der diesjährigen, als auch auf den vergangenen re:publicas Frauen genauso selbstverständlich auf Bühnen stehen, Expertinnen ihr Wissen weitergeben und Gründerinnen ihre Startups vorstellen, wie Männer auch. Darüber hinaus gehören Debatten über Diskriminierung(en), Gender, Inklusion, Emanzipation im und mit dem Netz und Kampagnen zur Sichtbarmachung von Missständen selbstverständlich zum Programm.

Wo der Wandel ist, sind die Ewiggestrigen nicht weit

Das emanzipatorische Potenzial der Neuen Medien ist also erkannt und wird auch genutzt. Doch es ist noch lange nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Viele Frauen, erst recht wenn sie sich feministisch äußern und für immer noch sehr emotionalisierende Themen streiten, bekommen sehr viel Hass ab und werden bedroht.

Anita Sarkeesian hat in ihrer Video-Reihe „feminist frequency“ untersucht, wie Frauen in der Mehrheit der Videospiele dargestellt werden. Es verwundert kaum, dass diese Darstellung teilweise stereotypisiert ist (die unterdrückte, schwache und wehrlose Frau etwa, die vom männlichen Helden gerettet werden muss) oder stark sexualisiert (durch extrem knappe Kleidung, überdurchschnittlich große Brüste, laszives Gebaren). Darauf macht Sarkeesian aufmerksam. Vermutlich hielt sie damit manchem Gamer einen Spiegel vor Augen, einer, der das Bild eines Sexisten zurückwarf und das fanden diese Leute nicht lustig. Sarkeesian wurde bedroht, wurde gestalkt, sie erhielt täglich eine so große Portion Hass, dass sie sich immer wieder zurückzog und auch die Polizei einschalten musste.

Lindy West ist eine sogenannte Fat-Acceptance-Aktivistin. In ihrem Twitter-Profil steht provokativ „WHY FAT LADY SO MEAN TO BABY MEN” und sie hat eine Menge Spaß am Leben, an ihrem Feminismus und mit ihrem Körper. Spaß, der manchen ein Dorn im Auge ist. Im Podcast „This American Life“ (und auch im Guardian) erzählt sie, wie sie von einem „Troll“ verfolgt wurde und wie er sie verletzte. Ein Troll, das ist ein Mensch, der nach Sascha Lobo vor allem an Störkommunikation interessiert ist, nie aber an einer echten Diskussion und Auseinandersetzung. Sarkeesian und West sind nur die Spitze des Eisbergs. Sexismus und echte Frauenfeindlichkeit sind im Netz für viele Frauen Alltag. Sich als Frau zu äußern, frech und laut zu sein, eine eigene Meinung zu haben und zu widersprechen sind für manche „Trolle“ hinreichend, um Grenzen des Anstands zu überschreiten und die jeweilige Frau zu entmenschlichen und obsessiv fertigzumachen.

Zwei Schritte vor, einer zurück

Manche „Trolle“ sind leider erfolgreich. Manche Frauen verstummen und sagen im Netz lieber nichts (mehr). Oder sie ziehen sich auf Bereiche zurück, die sie selbst kuratieren, deren Grenzen sie selbst bestimmen, wie Instagram, Pinterest und Facebook. Dort sind sie dann aktiver als Männer. Denn dort können sie sich einen Schutzraum einrichten. Und damit verstetigen sich auch alte Rollenmuster: Frauen sind in den wörtlich sozialen Medien unterwegs und Männer sind häufiger an politischen Orten anzutreffen. Das ist schade. Die Wikipedia ist ein solcher Ort, und ebenso verhält es sich mit den Kommentarspalten.

Und doch: Es tut sich ständig etwas. Manche Medien probieren neue Wege, die Debattenkultur zu ändern. Ein Weg ist, dass Journalist_innen sich selbst an den Debatten beteiligen. In der Podcasting-Szene sind in diesem Mai beim Podlove-Workshop schon sehr viel mehr Frauen anzutreffen als letztes Mal. Frauen bilden Banden, Feministinnen organisieren sich und geben sich gegenseitig Rückendeckung. Namhafte Blogger geben bekannt, nur noch an Konferenzen teilzunehmen, bei denen der Frauenanteil stimmt – so, wie es heute auf der re:publica auch endlich „normal“ ist.

 

Katrin Rönicke