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Laudatio auf Bascha Mika

Die Laudatio für Bascha Mika, Hedwig-Dohm-Preisträgerin 2017, hält Anke Domscheit-Berg / Foto: Christian Morgen

Es spricht für die Arbeit der Jury, wenn man als Laudatorin voll Demut vor einem leeren Blatt Papier sitzt, weil es so schwer ist, einer Persönlichkeit wie Bascha Mika auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Ich kenne Bascha schon seit etwa 20 Jahren, fast genauso lang verbindet uns eine bereichernde Freundschaft. Aber auch in den Jahren unserer Freundschaft blieb Bascha mir ein Vorbild, als Frau und Publizistin, die Dinge miteinander vereint, die so oft als unvereinbar gelten.

Führungsstärke, Ehrgeiz, Autorität und Weiblichkeit zum Beispiel. Nach etlichen Studien soll es diese Eigenschaften kombiniert in Menschen mit weiblichem Geschlechts-chromosom in der Wahrnehmung der Außenwelt nur selten geben. Die Gründe dafür sind die klassischen Stereotype, die mit einer Führungsaufgabe und mit dem Frausein verbunden werden und die schon Kindern über Spielzeug und die schöne bunte Medien- und Werbewelt verklickert werden. Aber Bascha Mika IST die Ausnahme, die die Regel bestätigt; sie schafft das Unmögliche. Es sind Vorbilder wie Bascha, die dazu beitragen, diese Stereotype aus alten Zeiten eines Tages aussterben zu lassen, weil sie nicht nur Frauen sondern auch Männern zeigen, dass Führungsstärke, strategisches Gespür und Durchsetzungskraft auch in einer Frau stecken können, die viele Menschen als zierlich, andere sogar als „zerbrechliche Erscheinung“ beschrieben haben, eine Frau, die Charme, Chuzpe und Haltung miteinander verbindet und es irgendwie schafft, dabei auch noch Stilikone zu sein.

Bascha wirkt als Rollenmodell umso mehr, als sie ein sichtbares Rollenmodell ist. Sie hat sich selbst einmal lachend als „Rampensau“ bezeichnet und das trifft es ganz gut. Sie ist nun einmal alles Andere als lichtscheu. Ob in Talkshows, auf Podien oder in Interviews, ganz egal welche testosterongesteuerten Alphatiere ihr gegenüber sitzen, Bascha weicht vor niemandem zurück, redet Tacheles, und das rhetorisch brilliant, läßt ihrem Gegenüber leere Floskeln niemals durchgehen, und schlägt mit dem scharfen Schwert der Fakten und auf den Punkt gebrachten Argumente gekonnt zurück.

In solchen Auseinandersetzungen ist Bascha in ihrem Element. Aber so sehr sie hochkarätige Debatten reizen, so rasend machen sie Dummheit und Ignoranz. Ihre Emotionalität wird dabei stets zur Stärke, denn aus Wut wird bei ihr konstruktive Energie. Von Bascha kann man lernen, dass Emotionalität keineswegs schädlich ist, so lange man es schafft, die Leidenschaft der eigenen Überzeugung mit Kompetenz und Sachlichkeit zu verbinden, und das dann gern auch mit gefährlich funkelnden Augen. Bascha möchte man nicht gern zum Feind haben, schon gar nicht, wenn man auf einer Bühne steht und Kameras dabei laufen.

Für die taz, deren Chefredakteurin Bascha 11 Jahre lang war, war ihre starke öffentliche Präsenz ein großer Gewinn. Sie gab der Zeitung ein bekanntes Gesicht, und war – so beschreibt es eine ehemalige Kollegin: „als kluge Häuptlingsfrau der ganzen Bande überall präsent und respektiert – auch bei den politischen Gegnern“.

Als Bascha die Chefredaktion der taz 1998 übernahm wurde sie gleichzeitig die erste Chefredakteurin einer überregionalen Zeitung in Deutschland. „If you can see it, you can be it“, heißt es über die Bedeutung von Vorbildern. Seit Angela Merkel wissen Mädchen, dass sie Kanzlerin werden könnten, seit Bascha Mika wissen junge Journalistinnen, dass auch Chefredakteursposten eine Option für sie sind. Aber noch gibt es weiterhin kaum Chefredakteurinnen in Deutschland, ein Grund, weshalb es den Verein ProQuote Medien gibt, in dem natürlich auch Bascha Mitglied ist.

Als Feministin setzt sie sich schon seit Jahrzehnten für Gleichberechtigung und Chancengleichheit ein. Sie kämpfte dabei stets gegen jede Art struktureller Benachteiligung, forderte Politik gleichermaßen wie Wirtschaft zum Abbau gläserner Decken und Schaffung von Rahmenbedingungen auf, die Geschlechtergerechtigkeit ermöglichen. Aber Bascha wäre nicht Bascha, wenn sie nicht auch hier den Finger tiefer als Andere in die Wunde legte und auch Frauen und die Frauenbewegung selbst unter ihre analytische Lupe legte.

Aus vielen Gesprächen mit ihr über das Thema Frauen in Führungspositionen weiß ich, wie hart sie dafür stritt, auch in der taz eine 50 Prozentige Frauenquote bei Ressortleitungen zu erreichen und wie oft sie im Einzelfall daran scheiterte, weil eine Kandidatin nicht davon zu überzeugen war, eine solche Rollen zu übernehmen. Es sind wohl auch diese Erfahrungen, die Motivation für ihr zweites Buch: „Die Feigheit der Frauen“ waren, für das sie wegen seiner Fokussierung auf die Verantwortung von Frauen auch Kritik aus feministischen Reihen erhielt. Dabei gibt Bascha offen zu, dass selbst sie trotz vorhandenem Interesse darauf wartete, dass man sie fragt, ob sie nicht Chefredakteurin werden wollte. Ihr Buch ist daher vor allem ein Plädoyer für Frauen, ihre anerzogene Zurückhaltung abzulegen und mehr Mut zum Risiko zu zeigen. Es beschönigt ja auch strukturelle Benachteiligungen nicht und prangert bereits die „Rosafizierung“ der Kinderzimmer und Mädchenbekleidung an, ein Phänomen, das als Gendermarketing seither noch problematischer geworden ist.

Ins Wespennest stach Bascha aber schon mit ihrem ersten Buch, einer Biographie über Alice Schwarzer, die 1998 erschien und neben aller Würdigung ihrer Verdienste für den Kampf um Frauenrechte auch Widersprüchliches ungeschönt beschrieb. Sie hielt sich dabei an eine Grundregel, die sie auch JournalistikStudent*innen beibrachte: Teddy, Tod und Teufel sollten möglichst in jedem Portrait enthalten sein. Der Teddy steht dabei für etwas Persönliches, nahe am Subjekt. Der Tod für eine Tragik im Leben der beschriebenen Person, der Teufel für die Leiche im Keller, das Verschwiegene, das Dunkle. In einem ZEIT Interview erklärt Bascha:

„Es ist mir ein Bedürfnis, mich dem Kritikverbot im Feminismus zu widersetzen, das so kontraproduktiv für die Frauen war und ist. Ich lasse mir nicht verbieten, genauer hinzugucken“.

Vor 20 Jahren verstanden viele das Buch noch als Angriff auf eine Ikone der Frauenbewegung, heute ist ein differenzierterer Blick auf Alice Schwarzer eher die Regel.

Nach der Veröffentlichung dieses Buches war für Bascha der Moment gekommen, sich zu verändern. Bis dahin, und schon seit 1988, war sie bei der Taz erst als Redakteurin, dann als Reporterin beschäftigt, wo sie das genaue Hingucken hervorragend praktizierte. Aber um ihren Beruf hatte sie kämpfen müssen, denn das Leben legte ihr biographische Steine in den Weg.

Bascha wurde 1954 als Kind deutschstämmiger Eltern in Oberschlesien, Polen geboren. Die deutsche Minderheit in Polen wurde jedoch seinerzeit stark benachteiligt: Bildungschancen waren eingeschränkt, die Muttersprache verboten. Als ihr herzkranker Bruder eine notwendige Operation nicht in Polen erhalten konnte, packten die Eltern zwei Koffer – mehr durften sie nicht mitnehmen – und siedelten um nach Deutschland, wo Bascha in Aachen ein neues Zuhause fand und sich die 5-köpfige Familie bald vergrößerte.

Bascha war zwar nur die Zweitälteste, aber die älteste Tochter. Und da der Vater ein konservativ traditionelles Familienbild pflegte, lernte Bascha nicht nur früh, für 9 Leute zu kochen, sondern auch, dass ihre Brüder mehr Rechte aber weniger Pflichten im Haushalt hatten, als sie selbst. „Ich bin deshalb Feministin, seit ich fünf bin“ ist Baschas eigener Kommentar dazu. Auch als ihr mit 14 die Eltern den Besuch einer weiterführenden Schule nicht erlaubten, weil sie lieber eine Banklehre absolvieren sollte, übte sie heftigen Widerstand. Aber eine ihrer Stärken zeigte sich schon damals – sie verhandelte erfolgreich einen Kompromiss, auf den sich die Eltern einließen: sie absolvierte zuerst die Banklehre bei der Deutschen Bank in Aachen, natürlich mit Bravour, aber danach durfte sie machen, was sie wollte. Und natürlich wollte Bascha um keinen Preis in der Bank bleiben.

Sie wollte studieren und machte deshalb an einem Ursulinen-Mädchengymnasium erst einmal ihr Abitur. Von der dortigen Leiterin, einer Nonne, lernte sie wie wichtig es ist, Vertrauen in die Kompetenzen von Frauen zu setzen. Dem Vorbild dieser Nonne wird sie später selbst folgen, als Mentorin junger Journalistinnen und als Chefredakteurin.

In Bonn und Marburg studierte Bascha Philosophie, Germanistik und Ethnologie, bleibt anschließend einige Jahre an der Universität, arbeitet nebenbei als Journalistin. So ist sie bereits Anfang 30 als sie bei der taz den Journalismus zum Hauptberuf macht. Ihre Reportagen über den aufflammenden Fremdenhass im wiedervereinigten Deutschland der frühen 90er Jahre finden breite Anerkennung. Wie alle ihre Reportagen sind sie hervorragend recherchiert aber spiegeln auch eine klare Haltung wider: Bascha ist links. Und das ist sie, weil sie katholisch geprägt wurde. Bascha Mika nimmt katholische Werte ernst. Sie bilden ihr moralisches Korsett. Ihretwegen steht sie stets auf der Seite derer, die benachteiligt sind, denn wenn es um Solidarität in einer Gesellschaft geht, um Geflüchtete oder soziale Gerechtigkeit, unterscheiden sich urchristliche von linken Werten kaum.

Auch nach ihren Vorbildern befragt, antwortet Bascha spontan: „das waren schon in meiner Jugend Jesus und Winnetou, leider beides Männer, aber immerhin beide androgyn“. Auch Jesus und Winnetou haben viel gemeinsam: sie sind stark wertegetrieben, mutig und sie kämpfen – jeder auf seine Weise – obwohl beide die Auseinandersetzung nicht suchen. Diese Beschreibung passt auch ganz gut zu Bascha Mika.

Als etwa aus der Reporterin der taz quasi über Nacht ein Mitglied der Chefredaktion wurde, ahnte sie zwar, dass ihre Kolleg*innen sie von da an anders behandeln würden, aber mit dem Ausmaß an eisigem Wind, der ihr als Chefin auf einmal von unten entgegenblies, hatte sie dann doch nicht gerechnet. Die Gräben zwischen oben und unten waren seinerzeit recht tief bei der taz. Der Posten war vielleicht auch deshalb ein Schleudersitz, denn in nur 8 Jahren waren 12 Chefredakteure gekommen und gegangen. So erwies sich das zu bohrende Brett als noch dicker als ohnehin erwartet, aber wie Jesus und Winnetou nahm Bascha die Herausforderung an, ohne ihren Werten untreu zu werden.

Ein dreiviertel Jahr war sie sogar ganz allein an der Spitze des Blattes, was sich bei aller Mehrbelastung am Ende als Vorteil erwies, denn die bis dato allseits beliebte Reporterin, ein original taz-Gewächs, das offensichtlich Tag für Tag hart für den Erfolg der Zeitung arbeitete, eignete sich dann doch nicht als dauerhaft bedrohliches Feindbild der „Dunklen Macht Da Oben“. Das Verhältnis der taz Belegschaft zur eigenen Chefredaktion war seither ein anderes, was sich auch nicht änderte, als Bascha durch zwei Stellvertretende Chefredakteure entlastet wurde.

Mehr als eine Dekade blieb sie Blattchefin der taz, länger als irgend jemand zuvor. Mit ihrer integrativen Stärke schaffte es Bascha, der schon sehr speziellen Artenvielfalt der tazzler*innen eine professionelle Basis zu geben und dafür gemeinsam mit den Redaktionen die notwendigen Hierarchien zu erschaffen. Zu ihrem Erfolg trug ohne Zweifel auch ihre aufrichtige Wertschätzung dieser Vielfalt bei. Sie wollte ein Blatt, das wagemutig, frech, witzig und kreativ ist – und dafür sind Duckmäuser und Ja-Sager wenig hilfreich. Dazu braucht es Freigeister, einen hohen Grad an Autonomie, viele offene und auch gern heiße Debatten. Den Spagat zwischen Durchsetzungsstärke und freier Arbeitskultur beherrschte Bascha ausgesprochen gut. „Stärken stärken“ war dabei ihr Grundsatz und die Beteiligung der Mitarbeiter*innen an Veränderungsprozessen ein Muss.

Immer wieder öffnete sie die taz auch nach außen, immer wieder gab es Sonderausgaben, die von Dritten gestaltet wurden, Comiczeichner*innen, Alt-68er, Migranten, selbst dem Feind überließ man einmal das Blattmachen, die sogenannte „Feindestaz“ wurde ein Verkaufsschlager.

Feministin blieb Bascha ihr Leben lang. Nicht nur bei Sonderausgaben zum 8. März ist ihr die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein Herzensthema, auch sonst kann man in einer Redaktionskonferenz mit Kritik von ihr rechnen, wenn auf Fotos nur Männer zu sehen sind oder ein Artikel eine Politikerin mit Bezug auf die Länge ihrer Röcke beschreibt. Der Kampf gegen Sexismus ist leider einer, der Ausdauer erfordert. Aber auch das kann Bascha – einen langen Atem haben und einen Kampf austragen, solange er nötig ist. Als lebendes „Prinzip Hoffnung“ ist sie dabei allen Frauen ein Vorbild, ganz besonders aber Nachwuchs-Journalistinnen.

Immer wieder übernahm sie Lehrtätigkeiten an Universitäten und Journalistenschulen, seit 2003 auch an der Universität der Künste in Berlin, deren Studiengang Kulturjournalismus sie seit 2007 gemeinsam mit ihrem Mann Carsten Großholz leitete. Erst als sie 2014 Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau wurde, gab sie die Leitung wieder ab, der Lehre blieb sie jedoch treu. Sie schafft es dabei, in den Studierenden die Leidenschaft für den Journalismus und seinen ethischen Grundwerten zu vermitteln. Wer durch ihre Schule ging, möchte nicht mehr nur „irgendwas mit Medien“ machen, sondern Journalismus. Egal wo Bascha hinkommt, sie verändert Kultur und macht einen Unterschied, sie legt die Latte höher aber sie hilft auch dabei, diese Latte zu erreichen.

Seit drei Jahren ist Bascha Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, wo sie erneut ihre besondere Stärke, mit knappen Mitteln das Beste aus einem guten Team heraus zu holen unter Beweis stellt. Ihre Kreativität und Erfahrungen aus diversen Innovationsrunden bei der taz konnte sie bei der Blattreform und der Entwicklung der neuen Wochenendbeilage FR7 bei der Rundschau hervorragend einbringen und bewies einmal mehr, wie gut sie gerade im Team funktioniert. Die Frankfurter Rundschau gibt es übrigens bereits seit 1945, dennoch dauerte es fast 70 Jahre, bis die ja immerhin im linken Spektrum angesiedelte Zeitung eine Frau in die Chefredaktion berief. Damit stieg die Anzahl von Chefredakteurinnen in Deutschland zwar, aber ihr Anteil ist immer noch kleiner als in DAX Vorständen. Es macht aber einen Unterschied, wer an der Spitze von Medien steht, das wird schon daran deutlich, wie Bascha auch bei der Rundschau immer wieder darauf achtet, den weiblichen Blick in das Blatt zu holen, denn von Nachrichtendiensten kommt er viel zu selten und immerhin sind fast die Hälfte der FR Leser Frauen.

Warum ihre Berufung doppelt bemerkenswert war, hat Bascha im übrigen indirekt in ihrem bisher letzten Buch beschrieben, das kurz davor erschien. Sie war gerade 60 Jahre alt geworden. Es widmete sich erneut einem Tabuthema, dem Älterwerden von Frauen. Bascha zeigt darin auf, wie ältere Frauen in unserer Gesellschaft unsichtbar gemacht und doppelt benachteiligt werden. Ein Fakt, der in der öffentlichen Debatte noch viel zu selten thematisiert wird. Es gehört Mut dazu, über diese Dinge zu schreiben, insbesondere, wenn man zur beschriebenen demographischen Gruppe gehört. Aber der Hedwig Dohm Aufforderung: „Mehr Mut, Ihr Frauen“ hatte sich Bascha Mika Zeit ihres Lebens verpflichtet. Bascha hat Mut und Bascha macht Mut. Eine würdigere Preisträgerin für die Hedwig Dohm Urkunde kann ich mir daher kaum vorstellen.

Herzlichen Glückwunsch, liebe Bascha und mach einfach genauso weiter!

Anke Domscheit-Berg, 1.7.2017