Grafik Journalistinnenbund

Preisträgerin 1999: Inge von Bönninghausen

Portraet Inge von Bönninghausen

Inge von Bönninghausen / Portrait Malin C. Kundi

Inge von Bönninghausen rief 1980 die die erste feministische Fernsehsendung ins Leben: Frauen-Fragen (WDR). Sie leitete das Magazin bis zu ihrer Rente 1998; es wird als Frau-tv fortgesetzt. 1988 war sie Mitgründerin des Journalistinnenbundes.

1999 ehrte der Journalistinnenbund Inge von Bönninghausen mit der Hedwig-Dohm-Urkunde für ihr Lebenswerk.

Die Urkunde wurde bei einer festlichen Gala im Rahmen der Jahrestagung des Journalistinnenbundes 1999 in Frankfurt am Main übergeben.

→ Biographie Inge von Bönninghausen bei FemBio

Laudatio

Gehalten von Sabine Zurmühl, TV-Journalistin und Publizistin, Mitbegründerin der feministischen Zeitschrift Courage.

Liebe Inge,

das Wort Laudatio stammt aus alten Zeiten, wo die einen Herren die anderen Herren in ihren Vorteilen benannten, Festgewänder und Soutanen das Bild bestimmten und die Männer in der Regel unter sich und Frauen höchstens zum bewundernden und selbstverständlich stummen, mitunter vielleicht nickenden Zuhören zugelassen waren. Der Journalistinnenbund trägt der Tatsache Rechnung, daß Frauen das öffentliche Loben voneinander kaum gewöhnt sind, und ist dabei, darin eine andere Tradition zu stiften. Das gefällt mir, und ich freue mich, daß ich einen kleinen Baustein daran mit-bauen darf.

Ich habe im Laufe der Jahre sehr unterschiedliche und vielseitige Bilder von Dir aufgenommen:

Du eilig auf dem WDR-Flur, nach innen guckend, freundlich, aber abwesend nickend, bevor Du in dem Fahrstuhl verschwindest, Du in dem Kostüm des Cherubino aus Mozarts Figaro auf dem Fest der 1000 Frauen 1986 in Frankfurt. Du warst mit mehreren Teams da, um zu drehen, es gab Ärger wegen der Überstunden für die Kameramänner und -frauen, Du hattest eine durchzuarbeitende Nacht im Schnitt vor Dir und liefst strahlend durch die Frauenfest-Säle mit Kniebundhosen und Jabot-Bluse.

Ich habe Dich Dutzendemale in Deinem Redaktions-Zimmer hinter dem Schreibtisch angetroffen, vertieft, ruhig, konzentriert – und fast immer bereit zu einem kleinen interessierten Schwatz.

Du angeregt mit glänzenden Augen nach einer Produktion vom Kontrollraum ins Studio rennend, ein Dankesblümchen für die Schauspielerin in der Hand.

Ich habe Dich – als Autorin mit anderen zu einer Besprechung bei Dir zuhause geladen – an einem Urgetüm von Schwarzweiß-Fernseher ohne Fernbedienung hantieren sehen – Euer Zuhause-TV, das nicht so perfekt zu sein brauchte wie in der Redaktion.

Und ich habe Dich – noch in den alten Räumen neben dem Vierscheibenhaus viele, viele Ananasviertel, -achtel, -sechzehntel schneiden und schließlich verzehren sehen, der Fruchtduft empfing einen, wenn man den Raum betrat.

Viel ist passiert in den Jahren der Zusammenarbeit. Und heute ist es auch ein Fest: Heute, liebe Inge, darf ich Dich im Namen des Journalistinnenbundes für Deine journalistische Arbeit und für Dein journalismuspolitisches Engagement ehren.

Ich möchte mich vor Dir verneigen, vor Dir und vor Deiner Arbeit, die untrennbar mit Dir verbunden ist und die einen so entscheidenden Teil Deiner Identität ausmacht.

Du warst und bist für viele Kolleginnen ein Vorbild in vielerlei Hinsicht. Zu einer Zeit, als es weder opportun noch bequem noch gar eingeführt war, fingst Du an, Dich für Frauenthemen zu engagieren. Die Kriegstöchter und Nachkriegstöchter hatten ungläubig zur Kenntnis nehmen müssen, wie hemmend, herablassend und verlogen das Klima für Frauen war. Die Väter waren geschlagen und zerstört aus dem Krieg gekommen, wenn überhaupt, und präsentierten sich aber doch als die selbstverständliche Kaste der Macht. Mit der Kritik daran entdeckten wir aber gleichzeitig auch unsere Kräfte:

– die Kraft der Empörung,
– die Kraft der gemeinsamen Wut und
– die Kraft, die darin liegt, sich gegenseitig zu unterstützen.

Das, was schließlich im Journalistinnenbund auch eine Fortsetzung finden sollte.

Als Du im WDR an „Elternschule“ und „Familienrat“ und schließlich den „Frauen-Studien“ arbeitetest, war ich in Berlin eine der COURAGE-Frauen. Wir lasen und sahen voneinander. Die Neugier und der wie man heute sagt – Vernetzungswunsch war unter den engagierten Frauen groß.
Wo sind Verbündete zu sichten, wer arbeitet über welches Thema, schier unermüdbare spähende Indianerblicke nacheinander. In diese Zeit fiel schließlich, daß Du mir ein Thema gestattetest, über das damals in der gesamten ARD noch nie ein Fernsehfilm gelaufen war: den sexuellen Mißbrauch Von Mädchen.

Die Art und Weise, wie dieser Auftrag zustande kam, ist – glaube ich- symptomatisch für Dich und Deine Arbeitsweise: ich hatte noch nie einen 45-Minuten-Film gemacht, aber Du sagtest einfach: mach mal, Du kannst das. Zutrauen haben, Ermutigung geben, Themen wagen, die keine Freunde im Hause hatten. Ich weiß nicht, wie vielen Autorinnen Du in ähnlicher Weise Hinführerin, Auftraggeberin und Ermutigerin warst, ich weiß nur, daß es sehr viele sind.

Du hast die Frauen-Studien und Frauen-Fragen erfunden und viele Jahre geleitet. Du hast sie mit Frau-TV jetzt bravouräs fortgeführt. Der Erfolg ist unabweisbar. Beliebt ist man deshalb nicht unbedingt im Hause und bei den Hierarchen. Denn was Du engagiert und wirklich fast unermüdlich vorangetrieben hast , sind- wie ich sie immer nenne: „Spielverderber-Themen“. Es ist einfach nicht schön und nicht rücksichtsvoll gegen die Kollegen, wenn sie mit halbvollem Mund und nur halbgespitztem Ohr sich in der Kantine erkundigen, woran man gerade arbeitet und zuhören bekommen: Massenvergewaltigungen, Klitorisbeschneidung, Zwangssterilisierung. Gewalt gegen Frauen in der Ehe – auch das Thema „Lesbenpower“ reißt da nichts mehr raus, – ich spare mir zu sagen: im Gegenteil. Lesben sind bekanntlich die Frauen, vor denen uns die Eltern oder auch die Ehemänner immer gewarnt haben. Zielpersonen so vieler Ängste und Vorurteile.

Scheinbar ist es leichter geworden für uns Lesben im Lichte einer neuen Toleranz. Aber es scheint mir doch geboten, letztlich mit einem immer noch darunter liegenden Gebirge von Vorbehalten rechnen zu sollen. Bei den Kollegen also lösen diese Themen den berühmten hastigen Reflex aus, unverzüglich zu betonen, daß auch Jungen geschlagen werden, daß Männer bei Scheidungen immer über den Tisch gezogen werden und daß Feministinnen eigentlich lila Latzhosen sind. Oft kommt inzwischen auch die abgeklärte Variante hinzu, der Geschlechterkampf sei nun wirklich nicht mehr existent, also Feministinnen die Dinosaurierinnen der Politik. Spielverderber-Themen sich auszudenken, kann sehr befriedigend sein, weil man innovativ ist, provokativ, historisch auf d e r Seite, die jetzt „dran“ ist. Schwierig aber ist, dabei zu bleiben, nicht ein Jahr, nicht zwei, sondern einfach so lange, wie es eben politisch noch notwendig ist, also bis heute. Dieses Dein Dabeibleiben ist heroisch, liebe Inge. Und ich vermute, es waren genügend Augenblicke der stilleren und erschöpfteren Art, in denen du Dich gefragt hast, ob Du das weiterhin schaffst. Denn ein Preis ist zu zahlen: ein Preis an Integration, an Sympathie, an Beförderung, an Eingeweihtwerden. Die Gesellschaft rächt sich auf ihre Weise an Menschen, die die Wahrheit zu sagen versuchen.

Gotthold Ephraim Lessing hat dazu eine Empfehlung abgegeben, die für das beobachtende Schreiben gelten sollte und die sicher auch für unseren Berufsstand so ganz im Allgemeinen und uns als Journalistinnen im Besonderen weiterhin schöne Geltung haben könnte:

Wie die Folgerungen fließen, so laß sie fließen.
Verunstalte nichts: beschönige nichts.
Sieh überall mit deinen eigenen Augen.
Hemme ihren Strom nicht; lenke ihn nicht.

Frauenberichterstattung ist Benachteiligten-Berichterstattung. In der Regel. Das ist anstrengend. Oder es ist Ausnahme-Frau-Berichterattung: DIE hat es geschafft und deshalb ist sie Thema. An keiner Frau, die andre Frauen genau beobachtet, geht dies ohne Folgerungen für sie selbst ab. Der Rückbezug ist gegeben, zur eigenen Existenz, zu den eigenen Lebenswünschen und Lebenswirklichkeiten, vielleicht auch allzuoft zum Zerrissensein zwischen der angebotenen befriedeten Frauenrolle und der lebenslangen Rebellion dagegen.

Umso wichtiger war es, in unserem Beruf den Zusammenhalt untereinander zu stiften. Bei den jährlichen Treffen der Frauen in den Medien warst Du, liebe Inge, ebenfalls von Anfang an dabei. Meist, wenn ich mich richtig erinnere, in der Gruppe, die die „Saure Gurke“ vergab. Und ich erinnere mich an einen Moment auf einem der ersten Medientreffen, wo einige hundert Kolleginnen morgens früh geduldig in einem Jugendhotel nach einem Tasse Kaffee anstanden, alle übermüdet vom letztabendlichen Fest, alle wieder pünktlich da und innerlich wach. Und ich hab gedacht: was ist das für eine Energie, für eine Liebe zum Beruf und für eine Neugierde aufeinander, die hier freigesetzt wird und nicht nur schöne Anstrengung ist, sondern auch Kraftquelle.

Und dann also der Journalistinnenbund. Auch so eine – ursprünglich- Einfrauen-Initiative… Gisela Brackert hatte 1987 eine lockere Runde Kolleginnen nach Frankfurt geladen. Du warst dabei, ich auch. Wir wurden angesteckt von der Idee, und arbeiteten bald im Vorstand mit. In den ersten Jahren des Journalistinnenburides gab es richtige Fraktionen, Parteiungen, Mißtrauen und durchaus auch polemisches Interesse aneinander. Ein Sich-Messen: wie ist der richtige Weg für alle? Gibt es ‚verbindliche Gebrauchsanweisungen für unseren Beruf – „wir basteln uns eine gute Journalistin“.

Du vertratest leidenschaftlich das feministische Engagement, wider alle Karriererei. Und warst selbst doch eine, die Karriere gemacht hatte. Eine, die diesen Widerspruch wirklich lebte: Nähe zu den Hierarchen u n d Rebellion, den Spielregeln Gänüge tun u n d sie gleichzeitig inhaltlich unterlaufen, Nadelstreifen und Buttersäure. Du hast auf der einen Seite das Bundesverdienstkreuz der
Bundesrepublik Deutschland erhalten und auf der anderen Seite die „Sternschnuppe für Zivilcourage, Unbestechlichkeit und besonderes feministisches Engagement“ durch die Frauenprojekte von NRW.

Du warst von 1991 bis heute unsere Erste Vorsitzende. Du warst es mit nicht nachlassendem Interesse an dieser schwierigen Arbeit, die man einspurig machen kann wie einen kleinen Feldweg oder 8-spurig wie eine Autobahn. Mit Dir sind wir immerhin schon auf einer respektablen Vierspur angekommen. Du hast diesen Vorsitz in einer liebevollen Weise ausgefüllt, warst immer gut vorbereitet, für keine Kleinarbeit zu stolz, kompetent, ernsthaft und auch immer bereit zu einer Albernheit. Pie Tausende von Telefonaten, die öffentlichen und nicht so öffentlichen Strategiesitzungen, die politischen Wegbestimmungen unseres JBs sind eine hohe Meßlatte.

Du hast im Nationalen Vorbereitungskomittee für die Pekinger Weltfrauenkonferenz unseren Journalistinnenbund vertreten. Die von Dir 1993 angeregte Debatte über die „Gewaltpolitische Verantwortung von Journalistinnen“ war weitsichtig und ist heute erschreckend aktueller denn je.

Die Jahre stürzen. Die Marschallin im „Rosenkavalier“ singt von der Zeit, die ein sonderbar Ding sei. Und daß sie aufstünde manchmal, mitten in der Nacht, und ließe die Uhren alle, alle stehn.

Liebe Inge, ich wünsche Dir, daß Du die Momente Deines weiteren Lebens gern lebst, die Uhren n c h t stehen lessen willst. Der Dank und der Respekt so vieler Kolleginnen für Deine Arbeit und Dein Leben darin möge Dich begleiten und Dich erfreuen.

Ich möchte jetzt den Text der Urkunde verlesen:

Der Journalistinnenbund ehrt Dringe von Bönninghausen für ihre Verdienste um Frauen in den Medien. Als langjährige Redakteurin und Moderatorin der frauenpolitischen Fernsehreihen des Westdeutschen Rundfunks, angefangen mit „Frauenstudien“, später „Frauen-Fragen“ bis hin zu „frau tv“, hat sie frühzeitig Maßstäbe für die Darstellung der Lebenswirklichkeit von Frauen gesetzt. Ihrem feministischen Engagement sind Themen zu verdanken, die bis dahin von den Medien weitgehend unbeachtet waren. Nicht nur als Vorsitzende, sondern auch als Mitglied in anderen internationalen Vereinigungen, hat sie maßgeblich dazu beigetragen, die Kompetenz der im Journalismus arbeitenden Frauen öffentlich sichtbar werden zu lessen.

Liebe Inge, ich gratuliere Dir.