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Die Macht der Konzern- und Verlagserbinnen

Podium mit sechs Frauen, dahinter Banner mit Schrift "Journalistinnenbund"

Das Podium mit den Verlagserbinnen Katharina Meyer, Helga Dierichs, Yvonne Bauer, Helga Kirchner (Moderation), Susanne Schüssler und Julia Latka (vlnr.)

Fünf Frauen, die an der Spitze deutscher Medienunternehmen stehen: Sie sind Erbinnen von Verlagen und Konzernen – und sie waren zu Gast beim ersten Diskussionsabend des jb-Medienlabors in Hamburg. Sie berichteten von ihren Erfahrungen als Chefin in einer oft männerdominierten Branche.

In ihrer Begrüßung fasste Andrea Ernst, Vorsitzende des journalistinnenbundes, das Ziel des Abends zusammen: „Wir haben die Chance ins intensive Gespräch mit Führungsfrauen aus Verlagen und Medienhäusern zu kommen.“ Dazu begrüßte sie als Gäste Yvonne Bauer (Bauer Media Group), Helga Dierichs (HNA, Dierichs Mediengruppe), Julia Latka (Latka Verlag), Dr. Katharina Meyer (Merlin Verlag) und Dr. Susanne Schüssler (Wagenbach).

In der Zeitschrift M erschien zu dieser Veranstaltung ein Bericht, den Sie hier nachlesen können.

Wie wurde Ihre Übernahme der Leitungsaufgaben vorbereitet?

Es zeigte sich deutlich, dass die Erbinnen die Konstellation Vater-Tochter als sehr vorteilhaft ansehen. Der Übergang ist zeitlich fließender und nicht erzwungen durch Krankheit oder Tod.

So hatte Yvonne Bauer zunächst nicht die Übernahme im Sinn, als sie nach dem Germanistik-Studium und Volontariat in einem Buchverlag verschiedene Positionen im väterlichen Zeitschriftenverlag einnahm. Wollte sie zunächst rebellisch sein und Bücher gestalten, sagte ihr das schnellere Medium Zeitschrift doch mehr zu. Nach Stationen im Vertrieb und im Anzeigengeschäft konnte sie sich vorstellen, das Unternehmen zu leiten und in die Zukunft zu führen.

In der Familie von Helga Dierichs war stets die Rede von „dem Betrieb“. So hätte ihr Vater auch erwartet, dass sie Jura oder Betriebswirtschaft studierte, um die geschäftliche Leitung zu übernehmen – ansonsten sah er in ihr die angehende Chefredakteurin. Sie hingegen folgte ihrem Herzenswunsch und machte zunächst als freie Journalistin Fernsehbeiträge. Sie blieb als Gesellschafterin dem väterlichen Verlag verbunden.

Julia Latka begann mit Feuereifer ihre journalistische Karriere. Als junge Frau im Handelsblatt machte sie die Erfahrung bei der Morgenkonferenz in der zweiten oder dritten Reihe hinter einem „Inner Circle“ von Männern verschiedenen Alters zu sitzen. Ihr Vater warb sie kurzerhand ab, als sich die Unzufriedenheit meldete.
Als Vorbereitung dienten ihr die Erfahrungen des Volontariats und der kurzen, aber intensiven Zeit bei der Tageszeitung. Der Übergang des Verlags in ihre Hände erfolgt schrittweise. Sie meint, die Vater-Tochter-Konstellation ist günstiger als die von Vater und Sohn – es herrsche mehr Wohlwollen und es gebe weniger Hahnenkämpfe.

Katharina Meyer entschloss sich in den Verlag einzusteigen, als ihr Vater über Nachfolge laut nachdachte. Er wurde 70 Jahre alt, der Verlag 40. Die Archäologie bleibe ihre eine große Leidenschaft – allerdings nun für die Pensionierung. Zu den Beweggründen berichtet sie von ihrer Abwägung, als promovierte Archäologin angestellt zu werden – ohne große inhaltliche Selbstbestimmung. Dem stand die Leidenschaft gegenüber, mit der ihre Eltern ihren Verlag führten, ja, für ihn brannten.

Susanne Schüssler studierte Germanistik und Verlagsrecht. Sie kommt aus einem Verlegerhaushalt und sagt von sich: „Ich wollte immer Bücher machen.“ Bei der Übernahme der Leitungsaufgaben von ihrem Ehemann war der Vorteil weniger, das Haus Wagenbach zu kennen, sondern vielmehr schon viele Erfahrungen aus anderen Verlagen zu haben.

Führen Sie Ihr Unternehmen so weiter wie bisher oder gibt es Unterschiede?

Für Bauer ist der Vater ein Vorbild, doch beim Führen an sich geht sie einen eigenen Weg. Sie sieht darin eine Frage der Generation – nicht, ob Frau oder Mann.

Dass die Führung des Unternehmens heute eine andere Strategie verlangt, berichtet auch Meyer. Sie veränderte die interne Struktur hin zu einem Team. Die Verbindungen zwischen ihrem Vater und den Autoren seien ganz persönlich – da bleibe sie immer die Tochter ihres Vaters und könne nicht hineinwachsen. Stattdessen entwickle sie hier ein eigenes Selbstverständnis.

Zur Führungskultur sagt Schüssler, dass Klaus Wagenbach überhaupt nicht geführt habe. Sie führte erst Strukturen ein. In den frühen Jahren wurden Bücher nicht vorher kalkuliert – sie wurden einfach gemacht. Heute müsse der Verlag intensiv über den Vertrieb nachdenken.

Wo setzen Sie eigene Akzente und welche sind das?

Ihr Haus sieht Bauer so: „Wir sind Print, wir bleiben Print, wir wollen aber auch digital werden.“ Ihrer Meinung nach können Mediengattungen nebeneinander bestehen wie bisher auch Print und Radio. Sie liefern Inhalte verschiedenen Plattformen. Wichtig sei ihr, die Internationalität weiter zu fördern Als Beispiele nannte sie die Adaption von Zeitschriftentiteln in verschiedenen Ländern. Sie sieht darin einen Weg, wie Gesellschaften voneinander lernten und Ideen weiter einwickeln könnten.

Leistung steht für Bauer an erster Stelle, wenn es um den Aufstieg im Unternehmen geht. Sie hätte gern noch mehr Frauen im kaufmännischen Bereich.

Nach Latka ist der stoffliche Träger letztlich egal für ihre Zeitschriften. Derzeit sei es Print; digital sei weder ein Geschäftsmodell sichtbar noch sei die technische Umsetzung von Fotostrecken fürs Internet zufriedenstellend.
Meyer spricht von der Kunst, klein zu bleiben. Sie macht sich Sorgen um den Vertriebsweg Buchhandel. In Zeiten von online-Buchhandel und E-Books sei der „neue Partner“ die Leserin und der Leser selbst. Die Frage sei, wie man sie direkt ansprechen könne. Man besinne sich wieder auf die Wege, wo sich die Leserinnen und Leser finden lassen – zum Beispiel auf der Leipziger Buchmesse.

Dierichs ist skeptisch, ob es Tageszeitung als Print-Produkt noch geben wird. Sie wünscht sich mehr Dissens und öffentliche Debatte sowie eine Gegenöffentlichkeit jenseits der traditionellen Medien.

Die sozialen Medien nennt Schüssler als neuen Weg zu einer Gegenöffentlichkeit, in der neuen digitalen Öffentlichkeit lägen neue Chancen.

Ihr persönlicher Akzent sei, weiterhin die Marke „Salto“ zu pflegen. Im Gegensatz zum Zeitschriftengeschäft werde selten bei Büchern eine Marke ins Leben gerufen, die dann nahezu unabhängig vom Autoren und Titel aufgrund der Reihe gekauft wird, die mit ihren Inhalten überzeugt.

Die digitalen Medien würden für Bücher nicht den Ansprüchen gewachsen sein. Einfache, Text-basierte Bücher seien wohl möglich. Jedoch nicht reich ausgestattete Ausgaben. Hinzu komme, dass ihre Bücher beratungsintensiv seien. Daher sei der Buchhandel noch sehr wichtig.

Schüssler findet spannend, wie Strukturen funktionieren. Sie skizziert die Wagenbach-Kultur als flache Hierarchie. Dennoch: „Nicht jeder darf bei allem mitreden, die Kompetenz muss da sein, wo die Entscheidung getroffen wird.“ Daraus ergibt sich eine „wechselnde, vagierende Autoritäts-Hierarchie“. Das sei anstrengend, aber sie möchte so weiterarbeiten – weshalb sie kein Wachstum des Verlags anstrebe.

Die Diskussionsrunden

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Bucerius-Saal der Akademie für Publizistik teilten sich nach dem von Helga Kirchner moderierten Eingangspodium mit je einer Moderatorin an ihrer Seite in kleine Gruppen auf. Hier bestand die Möglichkeit zum direkten Gespräch mit einer der Erbinnen.

Diskussionsrunde mit Zuschauerinnen

Diskussionsrunde mit Eva Kohlrusch (jb) und Konzernerbin Yvonne Bauer

Nach der abschließenden Runde werden viele die Vorfreude von Gitti Hentschel vom Gunda-Werner-Institut der Boell-Stiftung teilen, die bereits in ihrem Grußwort auf die Folgeveranstaltung im Herbst hinwies. Diese wird am 29. Oktober 2013 mit Reporterinnen in Kriegs- und Krisenregionen stattfinden. Das Medienlabor des jb ist dann in den Räumen der Heinrich-Boell-Stiftung in Berlin zu Gast.

Die Teilnehmerinnen vorgestellt:
Frauen an der Spitze deutscher Medienkonzerne und Verlage

Als Ehefrauen, Witwen oder Töchter gelangten sie durch Erbschaft in die Führungsposition der Unternehmen und haben es nun in der Hand, die Rolle der Medien und den Zugang von Frauen zur Macht zu verändern.

Yvonne Bauer führt seit Januar 2011 den Bauer-Konzern als Verlegerin und trat damit in die Fußstapfen ihres Vaters Heinz Bauer. Bereits fünf Jahre zuvor hatte sie die Leitung der Bauer Vertriebs KG übernommen. Sie ist die zweitjüngste von vier Schwestern. Zur Bauer-Media Group gehören rund 570 Zeitschriften, mehr als 300 digitale Produkte sowie 50 Radioformate, die weltweit publiziert werden.
Die Familie Bauer engagiert sich seit vielen Jahren mit großem persönlichen Einsatz für die Welthungerhilfe. Gudrun Bauer hat in Uganda das Dorf der Hoffnung ins Leben gerufen und kümmert sich insbesondere um Projekte für Frauen und Mädchen. Darüber hinaus unterstützt das Haus die Organisation Reporter ohne Grenzen.

Helga Dierichs ist die Tochter des Verlegers und Kunstmäzen Paul Dierichs und Erbin der Dierichs Mediengruppe. Sie hätte ihrem Vater als Verlegerin nachfolgen können, entschied sich aber dagegen. Stattdessen wurde sie Journalistin, Autorin, Filmemacherin. Einen Teil ihres elterlichen Erbes steckte sie in Projekte für bürgerschaftliches Engagement, beispielsweise in die Stiftung „Citoyen“ und in die „Sebastian-Cobler-Stiftung für Menschenrechte“.

Alexandra Holland bestimmt als geschäftsführende Gesellschafterin der Mediengruppe Pressedruck und als Herausgeberin der Augsburger Allgemeinen den Kurs des Familienunternehmens entscheidend mit. 2010 hat sie gemeinsam mit ihrer Schwester das Erbe ihrer Mutter Ellinor Holland als Verlegerin angetreten. Unter dem Einfluss der engagierten Journalistin war die Augsburger Allgemeine zu einer der großen Regionalzeitungen geworden. Die Tochter leitet auch die Hörfunk- und TV-Aktivitäten des Unternehmens und machte es zu einem der ersten integrierten Medienhäuser Deutschlands. Mit ihrer Arbeit für die „Kartei der Not“ führt sie auch das karitative Engagement ihrer Mutter fort.

Julia A. Latka brachte journalistische Berufserfahrung mit ins Familienunternehmen. Studiert hatte sie in Bonn und Massachusetts, USA, und danach bei der Sächsischen Zeitung und beim Handelsblatt gearbeitet. Seit 2001 leitet sie den J.Latka Verlag Bonn/Berlin gemeinsam mit ihrem Vater. Unter ihrer Führung erscheinen Reisezeitschriften wie „Südafrika“, „Australien“ und seit kurzem auch „Canada“. Die Zeitschrift „Amerika“ führt die Mutter eines sechsjährigen Sohnes als Chefredakteurin.

Dr. Katharina Eleonore Meyer studierte erst einmal Archäologie, Alte Geschichte und Ethnologie in Hamburg und Paris. Nach ihrer Promotion 1996 stieg sie schrittweise ins väterliche Unternehmen, den Merlin Verlag, ein. Der gehört seit seiner Gründung 1957 zu den wichtigsten Kleinverlagen Deutschlands; 2011 machte er bundesweit auf sich aufmerksam, als Verlagsautor Bualem Sansal den Friedenspreis des deutschen Buchhandels bekam. Katharina Eleonore Meyer, die auch Mutter zweier Kinder ist, leitet ihn nun seit 2005 in allen Bereichen.

Dr. Susanne Schüssler studierte Germanistik, Kommunikationswissenschaften und Verlagsrecht. Sie volontierte studienbegleitend beim Hanser-Verlag, promovierte und sammelte ihre Berufserfahrungen bei Verlags- und Buchhandelspraktika in New York, Paris und Köln. Seit 1991 arbeitet sie im Verlag Klaus Wagenbach und ist mit dem Verleger seit 1996 verheiratet. 1997 wurde die gemeinsame Tochter geboren; seit 2002 leitet Susanne Schüssler den Verlag.

Anke Ernst