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Rückblick: Aufgespürt und aufgedeckt – Frauen im investigativen Journalismus

Zwei Bildschirme an einer Säule zeigen die Eröffnung des 10. jb_Medienlabors durch die jb-Vorsitzende Friederike Sittler

jb-Vorsitzende Friederike Sittler setzte den Rahmen mit Eröffnung und Schlussrede beim 10. Medienlabor des Journalistinnenbundes im PresseClub München / Alle Fotos: Iris Koller

Mafia, Porno, Panamapapers …

Viele Skandale würden ohne sie wohl unentdeckt bleiben: Investigativ arbeitende Journalistinnen und Journalisten machen Missstände publik, berichten über kriminelle Netzwerke und ihre Enthüllungen können einiges bewirken. Beim 10. Medienlabor am 14. Oktober im Münchner Presse-Club gaben fünf Investigativ-Journalistinnen in zwei Podiumsdiskussionen Einblicke in ihre Arbeit. An dem Abend, der von Diemut Roether moderiert wurde, wurde klar: Investigativ-Journalismus darf keine Männerdomäne sein. Es braucht dringend die weibliche Perspektive auf brisante Themen.

In der ersten Podiumsrunde sprachen Petra Reski und Katrin Langhans über die Herausforderungen ihrer Arbeit.

Portrait Petra Reski
Petra Reski recherchiert seit Jahren akribisch zur italienischen Mafia und deren Machtstrukturen und hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht. „Mafiosi, Para-Mafiosi, Unterstützer von Mafiosi, Opfer von Mafiosi, Frauen von Mafiosi – ich habe sie alle interviewt, ich weiß wie die ticken“, sagt sie. Nur so könne sie Zusammenhänge verstehen und zum Beispiel Ermittlungsakten richtig einordnen. Dass sie eine Frau ist, habe ihr die Arbeit manchmal tatsächlich eher erleichtert: „Ich als deutsche Frau wurde in Italien immer unterschätzt, es war grandios.“ In den deutschen Medien sei „viel Folklore“ beim Thema Mafia dabei. Diese werde vor allem von Männern hochgehalten, wenn diese sich damit brüsteten, Mafiabosse in ihren Verstecken getroffen zu haben, sagt sie.

Portrait Katrin Langhans
Katrin Langhans war als Volontärin bei der Süddeutschen Zeitung von Anfang an in die Recherchen der Panama-Papers involviert, für die das Team, zu dem sie gehörte, mit dem Nannen-Preis und dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet wurde. „Für den investigativen Journalismus muss man eine Hartnäckigkeit und eine außergewöhnliche Neugier mitbringen”, sagt sie. Manchmal unterscheide sich ihre Arbeit gar nicht so sehr von der einer Ermittlerin. Als die Arbeit von ihrem Team im Fall Julian Reichelt von der Ippen-Gruppe nicht veröffentlicht werden sollte, kämpfte sie mit ihrem Team um die Veröffentlichung im Spiegel – „denn diese Information musste an die Öffentlichkeit.” Es sei auch ein Kampf für die Frauen gewesen, die ihnen die Informationen anvertraut hätten, sagt sie.

In der zweiten Runde der Podiumsdiskussion sprachen neben Langhans und Reski auch Isabell Beer, Pascale Müller und Andrea Röpke über ihre Erfahrungen als Investigativ-Journalistinnen.

Portrait Isabell Beer
Isabell Beer recherchierte für Funk unter anderem verdeckt in der Drogenszene. „Tipps, die junge Journalist*innen zum Beispiel in Journalistenschulen bekommen, sind oft nicht mitgedacht für Frauen. Sich mit einer Quelle im Parkhaus zu treffen oder einen trinken zu gehen, muss als Frau nicht sein. Journalismus funktioniert auch anders”, sagt sie. Investigativ-Journalismus müsse weiblicher werden, nicht zuletzt auch deshalb, weil beispielsweise Redaktionen Themenideen zu sexueller Gewalt im Internet oft nicht verstehen und angebracht behandeln. So blieben wichtige Themen ungesehen.

Portrait Andrea Röpke
Andrea Röpkes Schwerpunkt ist seit Jahrzehnten der Rechtsextremismus und jetzt auch die Corona-Leugner-Szene in Deutschland. Bei den verdeckten Recherchen sei es in der Vergangenheit schon vorgekommen, dass sie auf SS-Treffen mittrinken oder mit Esoterikern „den Regen wegbeten” musste, sagt sie.

Für ihre Recherchen zu Corona-Leugnern, die in Dörfern eigenständige Infrastrukturen aufbauen, indem sie Immobilien kauften und freie Schulen eröffneten, gab sie sich als Sympathisantin aus: „Ich muss mir selbst ein Bild machen”.

Die Herausforderungen seien aber immens, berichtet sie. Nicht nur, weil sie selbst wiederholt ins Visier des Verfassungsschutzes geriet (zu Unrecht, wie Gerichtsurteile bestätigen). Auch Redaktionen machten ihr die Arbeit schwer, weil die ihre Recherchen am liebsten vom Verfassungsschutz bestätigt haben wollen. “Das ist skandalös und ärgert mich.”

Portrait Pascale Müller
Pascale Müller betreibt auch Recherchen vor Ort, zum Beispiel „vor Lagerhallen”, wie sie berichtet. Sie schrieb unter anderem über Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung ukrainischer Arbeiter*innen durch ein kriminelles Netzwerk in Deutschland. „Dabei entspreche ich tatsächlich dem Bild der allein vor mich hin recherchierenden Journalistin. Auch, weil ich Quellen schützen muss.” Als Herausforderung empfindet sie ihren eigenen Anspruch auf feministisch nachhaltigem Journalismus im Investigativen. „Denn die Geschichten, für die wir auch ausgezeichnet werden, sind oft die, die extrem entbehrungsreich und gefährlich sind. Für die wir unsere Work-Life-Balance hintan stellen und toxisch männliche Verhaltensweisen annehmen. Wir erzählen also auch männliche Geschichten oft immer noch über uns selbst als Journalistinnen.”

Das Thema Frauen im investigativen Journalismus stieß auf reges Interesse, was sich auch bei den zahlreichen Fragen aus dem Publikum zeigte.

→ Aufzeichnung des 10. Medienlabors im YouTube-Kanal des Journalistinnenbundes

Bericht: Lisa-Martina Klein

Einladung zum 10. Medienlabor
Was ist das Medienlabor des Journalistinnenbundes?

 

Sechs Frauen diskutieren auf dem Podium des jb-Medienlabor. Davor das dicht an dicht sitzende Publikum.

Drei Stunden konzentrierte Diskussion. Die fünf Investigativ-Journalistinnen arbeiten zu sehr unterschiedlichen Themen. Ihre Methoden und Erfahrungen ähneln sich. / Foto: Iris Koller