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Ruhr 2010: „Die Kunst der Kühnheit“

 

Verabschiedung von Marlies Hesse, langjähriger jb-Geschäftsführerin (Foto: Eva Hehemann)

Verabschiedung von Marlies Hesse, langjährige jb-Geschäftsführerin / Foto: Eva Hehemann

Vom 3.bis 5. September 2010 trafen sich Mitglieder und Gäste aus ganz Deutschland, um „Die Kunst der Kühnheit – Wie wir uns im Wandel immer neu erfinden“ zu diskutieren. Emotionaler Höhepunkt der Mitgliederversammlung war der Abschied der langjährigen Geschäftsführerin, Marlies Hesse.

Mit einer Diskussion über die Voraussetzungen von Qualitätsjournalismus endete die 23. Jahrestagung des Journalistinnenbundes am heutigen Sonntag im Museum Folkwang in Essen. Unter dem Motto der Kulturhauptstadt Europas „Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“ diskutierten die Philosophin Simone Dietz (Uni Düsseldorf), Anke Domscheit-Berg (Government 2.0-Expertin); Karin Junker (WDR-Rundfunkrätin 1980-2009), Ulrike Kaiser (DJV, Initiative „Qualität im Journalismus“) und Katrin Scheib („Der Westen“). Die Moderation übernahm Dr. Inge von Bönninghausen.

Die rapide Veränderung der Medienlandschaft und die Chancen und Risiken der gegenwärtigen Bedingungen für Qualitätsjournalismus bildeten den Hintergrund der Diskussion. Karin Junker forderte, Medienkompetenz stärker zu fördern, Ruhr 2010-Chef Fritz Pleitgen forderte in seinem Grußwort zu Beginn sogar, Medienkompetenz als Hauptfach an Schulen zu installieren. Die Philosophin Simone Dietz wies darauf hin, dass Kinder Medienkompetenz spielerisch erwerben, aber die Schulen verstärkt kritisches Denken fördern sollten. Zudem warnte sie vor der unreflektierten Übernahme von Daten aus dem Internet, besonders aus social networks: „Journalisten müssen klar unterscheiden zwischen kommerzieller, privater und öffentlicher Kommunikation.“ Anke Domscheit-Berg plädierte für eine Stärkung der direkten Kommunikation zwischen Verwaltungsinstitutionen mit den BürgerInnen und hob als positive Beispiele die Essener Initiativen www.essen-soll-leiser-werden.de und www.essenkriegt-die-kurve.de. Ulrike Kaiser (DJV) gab zu bedenken, dass journalistische Kompetenzen notwendig seien für den gesellschaftlichen Erfolg der direkten Kommunikation und Bürgerbeteiligung. Katrin Scheib betonte die Chancen, die das Web sowohl für den direkten Kontakt zum Publikum, für die Erschließung von Information als auch für Recherchen biete.

Einig war man sich darin, die neuen Medien nicht gegen die traditionellen ausspielen zu wollen. Die Standards und Voraussetzungen für Qualitätsjournalismus sind ohnehin in allen Medien gleich. Man brauche Zeit für intensive Recherchen, sowie Sorgfalt und Aufrichtigkeit im Umgang mit Information. Diese Grundvoraussetzungen sind derzeit auch durch die finanzielle Situation gefährdet. Karin Junker appellierte an die anwesenden Journalistinnen, mutiger zu sein, sich Machtpositionen in den Medien zu erkämpfen und sich stärker medienpolitisch zu engagieren.

Am Samstag, den 4.9., wurde die frühere WDR-Chefredakteurin Helga Kirchner für ihr Lebenswerk und ihr frauenpolitisches Engagement mit der renommierten Hedwig-Dohm-Urkunde geehrt. Die Laudatio sprach die ehemalige Programmdirektorin des Deutschlandradios, Gerda Hollunder.

Den Nachwuchspreis des Journalistinnenbundes erhielt Laetitia von Baeyer für ihren am 08.11.2009 im ZDF gesendeten Film „Brief an die Eltern“. Eine Anerkennung ging an Christina Zühlke für ihren am 12.04.2010 im WDR
gesendeten Film „Schwule Sau! Der neue Hass auf Homosexuelle“.

Nach fast 17-jähriger Zeit als Geschäftsführerin des Journalistinnenbundes wurde Marlies Hesse im Rahmen der Mitgliederversammlung aus ihrem Amt verabschiedet. Ihre Kompetenz und ihr hohes Engagement als Netzwerkerin wurden von allen Anwesenden gewürdigt.