Grafik Journalistinnenbund

Ägyptische Journalistinnen lernen vom jb-Mentoring

Ägyptische Kolleginnen beim jb-Seminar (Rechte: Sigrun Rottmann)

Ägyptische Kolleginnen beim jb-Seminar (Rechte: Sigrun Rottmann)

Thembi Wolfram und Katrin Lechler von der Mentoring-AG haben Ende 2014 das Mentoring-Programm des journalistinnenbundes auf der Konferenz „Women’s Voices“ der Deutschen Welle Akademie in Kairo vorgestellt. Einige persönliche Eindrücke.

Das war aufregend! So richtig verdaut haben wir europäischen Weicheier die 18-Millionen-Metropole Kairo immer noch nicht: Es herrscht Dauerstau, wir haben uns von findigen Souvenirverkäufern die Altstadt im Schnelldurchgang zeigen lassen, sind Schweißhand in Schweißhand über sechsspurige Kreuzungen gezogen und vor Militärwagen, die beliebte Ziele von Straßenbomben sind, geflüchtet. Wie gut, dass es Listicals gibt:

Die Konferenz „Women’s Voices“

Finanziert wurde die eintägige Konferenz vom Auswärtigen Amt, die eigentliche Konferenzentwicklung, -organisation und -moderation lagen in den Händen von den jb-Mitgliedern Sigrun Rottmann und Kerstin Kilanowski. Sie haben renommierte Journalistinnen wie Shahira Amin eingeladen, die für den CNN aus Ägypten berichtet. Das Grußwort sprach der deutsche Botschafter in Kairo, Hansjürgen Haber, der angenehmerweise betonte, dass es nicht nur in Ägypten, sondern auch in Deutschland noch viel in Sachen Chancengleichheit für Journalistinnen zu tun gibt.

Was die Frauen bewegt – das zeigte die extrem lebhafte Diskussion – unterscheidet sich gar nicht so sehr von unseren Problemen: Journalistinnen werden schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen, haben schlechtere Chancen, auf der Karriereleiter nach oben zu klettern. Es gibt kaum Chefredakteurinnen und nach der Babypause ist es sehr schwierig, wieder in den Job zu kommen.

Die Juristin Sally El Gabbas vom Siza Nabrawy Center for Law and Women’s Rights diskutierte mit den Teilnehmerinnen, wie sich Frauen gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Leben und am Arbeitsplatz wehren können. Eine Dokumentarfilmerin zeigte die Geschichte einer jungen Frau, die sich gegen den Mann, der sie sexuell belästigte, wehrte und die nun von vielen gemieden und ausgegrenzt wird. Beeindruckend war im Kontrast dazu die Meinungsfreudigkeit der Konferenzteilnehmerinnen, aber auch einiger Männer. Freudig begrüßt wurde der Chefredakteur einer privaten Zeitung auf dem Podium, der sich gern für eine Woche Baby-Betreuung loben ließ, aber angesichts der patriarchischen Strukturen im Land resigniert die Schultern zuckte.

Am Vormittag stellten Thembi und ich das jb-Mentoring-Programm vor und zeigten zum ersten Mal unseren Videoclip, den das Mentoring-Programm produziert hatte. Die Konferenzteilnehmer waren ausgesprochen interessiert. Für den Workshop am Nachmittag meldeten sich dann mehr Frauen an als Plätze zur Verfügung standen.

Im Laufe der Konferenz haben die Teilnehmerinnen beschlossen, ein Netzwerk ägyptischer Journalistinnen zu gründen.

Unser Workshop für die ägyptischen Journalistinnen

Unser Workshop, den wir für Kairo konzipiert haben, sollte interaktiv sein und hatte deshalb eine begrenzte Teilnehmerzahl. Sehr stolz waren wir, dass wir mit der CNN-Journalistin Shahira Amin eine prominente Teilnehmerin begrüßen konnten – die im Verlauf auch Aussagen häufig bekräftigte.

Wir haben drei fiktive, aber dokumentarische Fallbeispiele aus Deutschland vorgestellt und die Teilnehmerinnen dann gebeten, in Gruppenarbeit typische Fallbeispiele aus ihrem Land sowie entsprechende Hilfestellungen durch eine Mentorin zu erarbeiten.

Die Situation in Ägypten ist insofern anders, als dass es nur wenige Journalistinnen gibt, die wie bei uns als Freie arbeiten. Außerdem sind die meisten Kolleginnen sehr jung und ihr Job ist aufgrund der politischen Lage sehr viel gefährlicher. Denn bei den Protesten in den vergangenen Jahren ist es fast die Regel, dass Menschen sterben. Außerdem haben über 90 Prozent der Frauen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, die meisten kümmern sich parallel um den Haushalt und Familienangehörige.

Dazu, wie man ein Mentoringprogramm organisatorisch auf die Beine stellt, sind wir vor lauter Fragen nur ansatzweise gekommen. Vielmehr gab es grundsätzliche Fragen zum Mentoring. Einerseits waren die Teilnehmerinnen sehr euphorisch, ob ihres neuen Netzwerks und blieben aufmerksam bis zum Schluss des Workshops gegen 20 Uhr (!). Andererseits hatten einige Zweifel, ob sie ein Mentoringprogramm ohne finanzielle Unterstützung auf die Beine stellen können. Vor allem bestand die Sorge, ob sich die Mentorinnen tatsächlich ein Jahr lang um ihre Mentee kümmern können, weil sie so viele andere Verpflichtungen haben.

Zum Abschluss haben wir den Testimonial-Film von Najima El Moussaoui gezeigt, in dem drei deutsche Mentees und Mentorinnen von ihren Erfahrungen berichteten.

Hintergrund

Die Konferenz im November in Kairo wurde von in den vergangenen Monaten mit drei jeweils fünftägigen Workshops vorbereitet:

  • Karriereskills für ägyptische Journalistinnen
  • fünftägiger Train-the-Trainer Workshop, nachdem die vier „besten“ Teilnehmerinnen unter Beratung von Sigrun und Kerstin ein eigenes Medientraining für Journalistinnen durchgeführt haben

Fazit

Mentoring: Unser Auftritt in Kairo hat Riesenspaß gemacht, weil die Teilnehmerinnen so unglaublich interessiert und dankbar für alles waren. Hoffentlich gibt es eine Fortsetzung, schließlich haben wir jetzt ein Konzept für einen interaktiven Mentoring-Workshop, außerdem mit dem Videoclip, dem Testimonialfilm und einer Audioslideshow von jb-Mitglied Jasmin Andresh jede Menge Material zum Zeigen.

Dreimonatiges Programm: Die positiven professionellen Veränderungen, die die ägyptischen Kolleginnen im Laufe dieses dreimonatigen Programms erlebt haben, haben beim Auswärtigen Amt
 dazu geführt, dass das Programm in seinem Jahresbericht als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnet wird. Das Auswärtige Amt wird daher das Programm 2015 wahrscheinlich fortführen. Durch die instabile, sich verändernde politische Lage Ägyptens kann man hier noch keine 100-prozentigen Voraussagen machen.

Autorin: Katrin Lechler

Ein Interview mit Katrin Lechler und Kerstin Kilanowski hat der Watch-Salon hier geführt.