Jeden Monat Eins: Lisa Seiler und Nora Imlau
Lisa und Nora verbindet vieles – vor allem ihre Entschlossenheit, durch ihre Worte Familien zu helfen, Inklusion voranzutreiben und Strukturen zu verändern. Dabei arbeiten sie selbst oft am Limit – eine ganz besondere Mentoring-Erfahrung.
Zwischen Widrigkeiten und Enthusiasmus
Lisa ist Journalistin und Mutter von drei Kindern, eins davon mit einer Behinderung. Sie ist bei einem Verlag angestellt und gerade in Elternzeit. Trotzdem arbeitet sie frei für ihren Verlag, der ihr zusätzlich erlaubt, auch andere Aufträge anzunehmen.
An einen geregelten Arbeitsalltag ist nicht zu denken. Neben dem Journalismus braucht die Care-Arbeit eine Menge Platz. Das Mentoring-Programm kam da nicht gerade zu einer günstigen Zeit – Lisas Frau war zunächst recht überrascht, als sie ihr davon erzählte. Aber Lisa hatte etwas, das sie antrieb: Den Vorsatz, über Themen zu schreiben, die sie besonders bewegten und die für viele Menschen von großer Bedeutung sind. „Ich wollte meinen Schwerpunkt auf die Bereiche Inklusion und Care-Arbeit legen, weil ich in den vergangenen Jahren gemerkt habe, dass diese Themen unterbeleuchtet sind. Wenn berichtet wird, dann oft über Einzelschicksale, die natürlich wichtig sind. Häufig werden aber die strukturellen Hürden, unter denen wirklich viele leiden, nicht benannt. Ich möchte zeigen, mit welchen Problemen beispielsweise Familien mit behinderten Kindern zu kämpfen haben. Die meisten Menschen nehmen sowas gar nicht wahr – von außen wirkt es offenbar auf viele, als gäbe es genügend Unterstützung.“
Und so kam Nora ins Spiel. Die Journalistin schreibt seit etwa 15 Jahren über Familienthemen, von Service-Beiträgen in Elternzeitschriften bis hin zur Familienpolitik und pädagogischen und entwicklungspsychologischen Themen. Zudem ist sie Autorin vieler Sachbücher und Erziehungsratgeber, kürzlich kamen noch zwei Kinderbücher hinzu. Sowohl thematisch als auch privat passte Nora somit wunderbar zu Lisa, dachte sich die Mentoring-AG, und durfte damit recht behalten – auch wenn nicht alles lief wie geplant.
Wie hat sich das Jahr für die beiden angefühlt?
Nora: „Wir waren beide komplett unter Wasser mit tausend Sachen und mussten darum kämpfen, überhaupt zusammenzukommen. Aber genau deshalb hatte das Mentoring auch eine ganz andere Qualität. Es ging nicht nur um berufliche Dinge, sondern auch um Solidarität. Und wir haben viel über strukturelle Fragen in der Gesellschaft gesprochen.“
Lisa: „Ich hatte oft das Gefühl, wir treffen uns zu selten und ich mache zu wenig und komme nicht schnell genug voran. Gleichzeitig ist bei den wenigen Treffen ein ganz besonders intensiver Austausch zustande gekommen, der mich inspiriert hat.“
Lisa und Nora wollen auch nach dem Mentoring in Verbindung bleiben. „Ich fühle eine Verantwortung, die Dinge weiterzuführen, die ich angestoßen habe“, sagt Nora und nimmt Lisa damit den Druck, alles möglichst schnell voranzutreiben. Die Idee zu einem großen Projekt hat sie mit Noras Hilfe während ihrer Mentoring-Treffen entwickelt: Einen Newsletter über das Leben und Überleben im Inklusionsdschungel, der nicht nur persönlich Betroffene oder durch die Arbeit an dem Thema interessierte Menschen erreichen soll. Noch ist nicht alles druckreif, aber bei ihren Treffen konnten sich die beiden über viele Aspekte, Hürden und Lösungsideen austauschen. „Auch Noras Expertise mit den sozialen Medien hat mir sehr geholfen. Gerade Instagram ist für Eltern behinderter Kinder eine wichtige Austauschplattform. Noch bin ich da eher passive Nutzerin, aber das soll sich ändern.“
Stolz sind sie darauf, dass sie es trotz der widrigen Umstände durchgezogen und füreinander viel Verständnis und Offenheit gefunden haben. Einen besonderen Schlüsselmoment im Mentoring gab es:
Nora: „Einmal war Lisa sehr K.O. und ausgebrannt und hatte Zweifel, ob sie alles hinbekommt. Da habe ich gesagt, ‚Was wäre die Alternative? Du hängst den Job an den Nagel und machst in den nächsten Jahren ausschließlich Care-Arbeit.‘ Da spürte Lisa sofort einen ganz starken Widerstand, weil sie unbedingt Journalistin bleiben möchte.“
Lisa: „Ich habe gemerkt, wie wichtig es mir ist, über diese Themen zu schreiben – weil gerade pflegende Eltern meist gar nicht die Ressourcen haben, die Probleme öffentlich zu machen und für Unterstützung zu kämpfen.“
Autorin: Stefanie Uhrig