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Jeden Monat Eins: Mira Knauf und Alexandra von Knobloch

Als Medizinjournalistinnen bilden sie ein perfektes Match. Im Interview erzählen sie ihre beruflichen Wege, sprechen über Haltung im Journalismus und warum das Mentoring eine „win-win-Situation“ für sie ist.

Mira Knauf / Foto: Erna Pohuljak

Mira, was ist dein persönliches Resümee des vergangenen Jahres 2021 – wie startest du ins Jahr 2022?

Mira: Ich habe im vergangenen Jahr gelernt, dass es sehr wichtig sein kann, sich ein bisschen Zeit zu nehmen, um aus dem Hamsterrad auszusteigen. Das hilft ungemein, wenn man sich nicht sicher ist, welche Prioritäten man im Leben und Beruf setzen möchte. Manchmal braucht man etwas, um sich zu besinnen. 2022 bringt für mich viel Veränderung, beruflich und privat. Darauf bin ich gespannt und natürlich hoffe ich sehr, dass uns Corona das Leben in diesem Jahr etwas weniger schwer macht.

Alexandra: Ich habe die Hoffnung, nach zwei Jahren das erste Mal wieder das Land zu verlassen und Urlaub zu machen. Corona beschäftigt mich ja nicht nur menschlich privat, sondern als freie Medizin- und Wissenschaftsjournalistin auch beruflich sehr intensiv. Das heißt, es ist 24/7 Corona für mich. Das bedeutet zwar eine andere Belastung als für jemanden, der seine Kinder beschulen muss oder selbst gerade Corona hat. Aber nach zwei Jahren brauche ich dringend Urlaub.

Wie kamt ihr zu eurem Berufswunsch Journalistin?

Mira: Ich habe Arts and Culture, also Kulturwissenschaften an der Maastricht University studiert. Ich war schon früh von anderen Lebensentwürfen, Kulturkreisen, Weltanschauungen fasziniert. Maßgeblich hat dazu sicherlich beigetragen, dass ich mit 16 ein Jahr lang in einer Gastfamilie in Brasilien gelebt habe. Damals fand ich es spannend zu gucken, wo ich Unterschiede feststellen konnte und wo doch auch Gemeinsamkeiten, obwohl wir aus teilweise sehr unterschiedlichen Kontexten stammten. Für mich ging es auch viel um die Frage, wie unterschiedliche Weltbilder entstehen und warum wir sind, wer wir sind. Daher habe ich mich für ein kulturwissenschaftliches Studium entschieden, mit Schwerpunkt auf Medienwissenschaften. Denn Medien haben viel damit zu tun, wie welche Weltbilder entstehen. Und wenn man dann vielleicht auch noch dazu beitragen möchte, dass Menschen eine eigene Vorstellung von der Welt entwickeln können, liegt der Journalismus nahe. Und insbesondere am Schreiben habe ich schon seit der Grundschule viel Spaß gehabt.

Alexandra: Die Überlegung , warum ich Journalistin werden wollte, liegt für mich echt ewig weit zurück. Ich würde mich eher fragen, warum ich immer noch Journalistin bin. Ich bin Mitte der 90er-Jahre in den Beruf eingestiegen, da waren die Bedingungen noch ganz anders. Natürlich hatte ich damals Ziele und Ideale – aber nach etwa 25 Jahren im Journalismus beschäftigt mich eher, was der Wandel bringt, was er für mich bedeutet und was mich motiviert, dabei zu bleiben.

Und Alexandra, was motiviert dich, weiter Journalistin zu sein?

Alexandra: Ich bin bis in die letzte Zelle eine Naturwissenschaftlerin, das hat mich einfach schon immer interessiert. Alles was faktenbasiert ist und was man belegen kann, erachte ich als Grundlage. Deswegen interessiert mich auch die Frage, wie man Wissenschaft an die Menschen heranbringt. Und das ist ja momentan so aktuell wie niemals zuvor in meiner gesamten Berufslaufbahn. Während Corona zeigte sich, dass viele Leute von uns mit Informationen vollgeballert werden, die sie nicht einordnen können, weil sie keine Insider des Wissenschaftsbetriebs sind – wie man damit umgeht, das ist eine superspannende Frage, spannender denn je. Das ist es auch, was mich ganz stark an diesen Job bindet: die ständige Weiterentwicklung.

Wie sieht euer journalistischer Werdegang bisher aus?

Mira: Nach meinem Bachelor-Abschluss in Arts and Culture und während des Studiums habe ich im Rahmen redaktioneller Praktika beim Weser Kurier, für Tageszeitungen und in der Online-Redaktion von Radio Bremen gearbeitet. Und dann meinen Master in International Media Studies an der Deutschen Welle Akademie und Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gemacht. Währenddessen war ich Werkstudentin an der DW Akademie und zuständig für die Blogbetreuung.

Von 2015 bis 2021 war ich Online-Redakteurin, dann stellvertretende Chefredakteurin in der News Redaktion der DocCheck Community. Das ist eine Plattform, die medizinische Berichterstattung für Ärzte, Apotheker und Angehörige anderer medizinischer Berufe macht. Meine Kernaufgaben waren die Erstellung und der Versand des tagesaktuellen Newsletters, das Schreiben eigener Artikel, das Redigat von Autorentexten, die Entwicklung neuer Formate und crossmediales Arbeiten: Video und Podcast. Derzeit mache ich die Social Media Betreuung für ein NFT-Projekt (Non fungible Token) und ab Februar bin ich Redakteurin für mitmischen de, eine Seite, die politische Berichterstattung für Jugendliche macht, daneben werde ich Freelancen.

Alexandra von Knobloch / Foto: Marco Donato

Alexandra: Ich habe erst Biologie studiert, dann klassisch ein Volontariat bei einer regionalen Tageszeitung absolviert. Bei meiner Heimatzeitung in der Oberpfalz: „Der neue Tag“ und eine, die damals schon ein Online-Portal hatte. Nach dem Volontariat hab ich dort ein Jahr als Redakteurin gearbeitet und dann war es höchste Zeit, mich umzuschauen nach dem, was ich eigentlich machen wollte: Wissenschaftsjournalismus.

Ich bin dann nach München gewechselt und war 16 Jahre festangestellt beim Wort & Bild Verlag, der unter anderem die Apotheken Umschau herausgibt. Dort habe ich später auch ein Magazin entwickelt und jahrelang geleitet. Danach bin ich in die Online-Chefredaktion gewechselt und war stellvertretende Chefredakteurin. Ich habe mich dort auch lange mit der Innovation von Medien beschäftigt und beispielsweise auch mit der Frage, wie man es zwischen dem Wust aus Falschinformationen im Netz schafft, sich als seriöses Medium zu positionieren. Die Beschäftigung mit solchen Fragen hat mich bewogen, mich selbstständig zu machen. Ich bin jetzt freiberuflich unterwegs: Ich schreibe als freie Journalistin, bin freiberuflich für den Deutschen Ärztinnenbund tätig und betreue deren Mitgliedermagazin, mache jedes Jahr ein mehr oder weniger großes Innovationsprojekt und unterrichte Journalismus.

Habt ihr besondere Ziele, die Ihr langfristig erreichen wollt?

Mira: Für mich ist nicht so sehr wichtig, langfristige Ziele zu haben. Mir ist wichtig mit dem, was ich mache, in der aktuellen Situation zufrieden zu sein. Und Zufriedenheit heißt für mich: dass mir die Arbeit die meiste Zeit Freude bereitet, ich etwas dazu lernen kann und ich sie in irgendeiner Form als sinnstiftend empfinde. Ich denke, Letzteres geht den meisten Journalist*innen so.

Alexandra: Ich habe es völlig aufgegeben, Pläne zu machen, die längerfristig als, sagen wir mal, ein Jahr sind. Es ist eine vergebene Liebesmüh. Das war schon immer so, aber durch Corona wird einem noch einmal vor Augen geführt, dass es sinnlos ist, in die Zukunft zu grübeln. Stattdessen lieber im Hier-und-Jetzt was machen! Eines meiner beruflichen Projekte in diesem Jahr befindet sich gerade noch in der Entwicklungsphase. Das tatsächlich auf die Welt zu bringen, ist ein Ziel für dieses Jahr. Aber viel weiter will ich nicht denken. Privat ist das ein bisschen anders, da habe ich schon lange eine Bucket List mit konkreten Zielen – und viele habe ich schon abgearbeitet.

Warum glaubt ihr, guter Journalismus ist gerade jetzt besonders wichtig?

Mira: Ich denke, insbesondere konstruktiver Journalismus, der dazu beitragen kann, dass sich die Fronten nicht weiter verhärten, ist aktuell sehr wichtig. Darüber wurde ja auch auf unserer Jahrestagung viel gesprochen. Ein großes Problem ist es doch, dass jeder aktuell vorrangig in seiner eigenen Bubble sitzt und somit die eigene Meinung immer weiter validiert wird. Es ist sicherlich wichtig, sich die Perspektiven des Gegenübers anzuhören und zu versuchen zu verstehen, was dahintersteckt – und diese Perspektive auch ernst zu nehmen. Auf der anderen Seite bedarf es in bestimmten Situationen aber auch einer klaren Haltung. Ich denke, hier den schmalen Grat zu finden, ist eine große Herausforderung und etwas, von dem ich hoffe, dass es mir immer öfter gelingen wird.

Alexandra: Momentan sehe ich die ganz große Relevanz meiner Arbeit darin, als Medizinjournalistin seriöse Informationen rüberzubringen, die wissenschaftlich fundiert sind, und diese so unters Volk zu bringen, dass Menschen sie auch verstehen.

Warum sollten sich insbesondere Frauen* im Journalismus vernetzen und gegenseitig unterstützen?

Alexandra: Ich finde, die Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten ist zentral wichtig. Und vor allen Dingen ist die Unterstützung von Frauen untereinander zentral wichtig. Das Mentoringprojekt halte ich deshalb für wahnsinnig wertvoll. Ich habe in all der Zeit, in der ich auch Journalistinnen und Journalisten unterrichte, gemerkt, dass es die Gläserne Decke immer noch gibt – und Frauen es auf der Karriereleiter schwerer haben als Männer. Männerseilschaften funktionieren problemloser, darum müssen sich Frauen viel bewusster vernetzen, um etwas zu erreichen.

Mira: Ich finde es generell wichtig, dass sich Frauen vernetzen und unterstützen. Der Journalismus ist ein besonders schwieriges Feld, das mit vielen Unsicherheiten für Arbeitnehmer:innen einhergeht. Umso mehr können wir von Solidarität untereinander und Austausch miteinander profitieren. Ich finde es total hilfreich, wenn man eine Community hat und diese nach Rat fragen kann. In der Regel ist das doch auch für alle Beteiligten eine schöne Situation: für die, die Rat bekommen und die, die Rat geben.

Alexandra und Mira auf der JaTa in Essen

Was bedeutet „Mentoring“ konkret für euch?

Mira: Für mich bedeutet Mentoring gegenseitiger Austausch, voneinander lernen, aber natürlich auch, dass man als Mentee aus bereits gemachten Erfahrungen der Mentorin lernen kann. Dass man in bestimmten Situationen um Rat fragen kann und dass man eine Ansprechpartnerin hat, die einem idealerweise helfen kann, die eigene Orientierung zu finden bzw. zu behalten.

Alexandra: Ich sehe den großen Vorteil vom Mentoring darin, dass man als Mentorin etwas spiegeln kann. Alle Mentees, mit denen ich bisher ein Tandem gebildet habe, starteten mit großartigen Fähigkeiten, aber leider auch mit einer gewissen inneren Verunsicherung, die völlig ungerechtfertigt ist. Junge Frauen machen sich teilweise sehr, sehr viele Gedanken, anstatt einfach mal zu handeln. Ich glaube, sie haben Sorge, etwas nicht perfekt zu machen und sich dadurch etwas zu verbauen. Und ich spiegle das, sage: Hey, was machst du da? Du hast das jetzt zu Ende gedacht, probier‘s halt nun. – Dafür braucht man manchmal jemanden, der von außen kommt, keine Freunde oder Angehörigen, sondern eine Person, die vor allem die Branche kennt.

Wo finden wir euch und eure Arbeiten online? Habt ihr zum Abschluss eine Hör-, Lese-, oder TV-Empfehlung für uns?

Mira: Meine Arbeit ist in den letzten Jahren natürlich sehr nieschig und auf Mediziner*innen zugeschnitten gewesen, aber zwei Themen mit großer gesellschaftlicher Relevanz fallen mir direkt ein: Ein Artikel, in dem es um die psychischen Belastungen und damit einhergehende Risiken des Arztberufes geht: „Ärzte sind keine guten Patienten“ Und ein Interview mit dem Psychiater Jan Dreher, mit dem ich über den richtigen Umgang mit Suizidalität gesprochen habe. Primar ging es hier um die Arzt-Perspektive, also wie fragt der Arzt beim Patienten richtig nach – aber auch für Journalisten ist das ein schwieriges Thema. Bei dem Interview habe ich selbst viel gelernt und denke, dass es auch für einige Fachkräfte hilfreich ist.

Alexandra: Für das Media Lab Bayern habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie Journalist*innen Klima- und Umweltthemen für User*innen über Smart-Home-Anwendungen oder IoT greifbar machen können. Link 1 und 2 gehören zusammen: Das eine ist ein Bericht über den Ausgangspunkt und das andere ein Bericht über den Endpunkt des Projekts.

Und hier der Link zu einem Format für Lokaljournalismus während Corona, das ich 2020 entwickelt habe. Es ist für die „Open Innovation Challenge“ des Media Lab Bayern entstanden und kostenlos nutzbar. Es gibt dort noch eine ganze Reihe anderer Angebote – von maximal analog (wie das meine) bis maximal digitalisiert (Software etc.)

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