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Workshop Konfliktsensitiver Journalismus

Konfliktsensitiver Journalismus – für alle! *

Workshop-Pilot mit Sigrun Rottmann

Die Entwicklungen mit einem wachsenden Zuspruch zu rechtsextremen,faschistischen Haltungen, die Polarisierung der Gesellschaft, das gegenseitige Hetzen von Gruppen/Meinungen passiert nicht ohne Mittun der Medien, und einen Teil davon gestalten wir. Wir zündeln mit. Wir haben Verantwortung. Ich möchte für einen konstruktiven konfliktsensiblen Journalismus plädieren. JB-Frau Sigrun Rottmann hat sich damit schonlänger praktisch und wissenschaftlich befasst: „Konfliktsensitiver Journalismus“, heißt ihr Workshop.  Sie hat Grundlagen der Friedens- und Konfliktforschung in einem Seminar an der TU Dortmund in die Journalisten-Ausbildung übertragen und für den eintägigen Workshop auf eine Kurzform zusammengefasst. Der JB Ruhr hat den ersten am 9. November 2019 in Essen veranstaltet. Ein Pilotprojekt, das Schule machen sollte und hilfreich sein kann für die alltägliche praktische Arbeit von Journalistinnen, für konstruktiven Journalismus.

Vielleicht können wir das bei der nächsten JaTa aufgreifen.

Ein paar Grundüberlegungen möchte ich zusammenfassen:

*Konflikte sind per se nicht negativ*, sondern gerade in demokratischen offenen Gesellschaften normal. Chance von Konflikten: Weiterentwicklung. Der Austragungsmodus ist (oft) negativ. Meist handelt es sich um Meinungsverschiedenheit, die zu Konflikten hochstilisiert und dramatisiert werden.

Eine anerkannte Definition von Konflikt kommt von Friedrich Glasl,Organisationsberater und Konfliktforscher. Danach entsteht ein Konflikt, wenn eine Person oder Gruppe sich beeinträchtigt fühlt.

Meinungsverschiedenheit ist kein Konflikt, kann aber einer werden. Und dann kommt es darauf an, wie er ausgetragen wird.

Krisen nicht herbeischreiben

Aufgabe des Journalismus ist es das Wesentliche darzustellen, was ist wirklich, Informationen zu liefern, nicht Meinung, Emotion, Gefühl…Damit belebend auf die Demokratische Gesellschaft zu wirken und nicht die Krise herbeizuschreiben.

Sigrun Rottmann versteht Konfliktsensitiven Journalismus als eine Weiterentwicklung des „Friedensjournalismus“, wie ihn u.a. der Friedensforscher Johan Galtung und der Sozialpsychologe Wilhelm Kempf in den 1980er und 1990er Jahren als Alternative zum von ihnen wahrgenommenen „Kriegsjournalismus“ forderten. Sie kritisierten die Darstellung von Konflikten als Konkurrenz, aus der als „Lösung“ Sieger*innen und Verlierer*innen hervorgehen.

Bei diesem Verständnis von Konfliktsensitivem Journalismus geht es nicht nur um die Berichterstattung von gewalttätigen Konflikten, sondern um alle Spannungen, Auseinandersetzungen und Konflikte im journalistischen Tagesgeschäft.

Konstruktive, konfliktsensitive Berichte setzen einen kompetenten Einsatz von Sprache (u.a. Wissen über Framing) und Bildern, eine gute Wahrnehmung von Konflikten und selbstreflektierte Arbeit voraus: wo sind meine eigenen Interessen und Meinungen, welche Vorurteile habe ich selbst, welche Ursachen und welche Wirkungen hat „das Problem“? Welche Akteure sind beteiligt und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander?

Ausgrenzen und abwerten

Soziale Kategorisierung  ist in gewisser Weise notwendig zur Orientierung. Stereotype und Vorurteile können  aber zugleich negativ wirken durch Ausgrenzung und Abwertung von anderen und zu Feindbildern mutieren. Je mehr andere abgewertet werden, desto besser fühlen wir uns selbst! Und aus der Dämonisierung einer Seite kann leicht Gewalt entstehen.

Tolle Übung: Welche Bilder, Geschichten und Bewertungen  entwickelst Du beim Kassierer an der Supermarkt Kasse, an der Bushaltestelle, sonstwo? Überlege Dir eine zweite Variante, wie Du die Person, die Situation auch noch interpretieren könntest.

*Gute interessante Berichte sind möglich, ohne zu polarisieren*.

Dafür liefert Sigrun Rottmann in Ihrem Workshop Werkzeuge und praktische Übungen.

Regina Völz , JB Ruhr

 

Die Workshop-Leiterin:

Sigrun Rottmann ist Journalistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Journalistik der TU Dortmund, wo sie auch Konfliktsensitiven Journalismus lehrt. Sie ist zertifizierte Systemische Beraterin für Teams und

Gruppen und absolviert zurzeit an der Akademie für Konflikttransformation die berufsbegleitende Weiterbildung „Friedens- und Konfliktarbeit“. Sie hat Politikwissenschaft studiert und bei der Frankfurter Rundschau volontiert. Sie war dann zwei Jahre lang FR-Korrespondentin für Mexiko, Lateinamerika und die Karibik mit Sitz in Mexiko-Stadt, bevor sie für acht Jahre zum englischsprachigen Dienst des BBC World Service in London wechselte. Seit ihrer Rückkehr ins Ruhrgebiet 2011 arbeitet sie neben ihrer Tätigkeit an der TU als Freie unter anderem für WDR 5 sowie als Trainerin für internationale Journalist*innen-Workshops (Deutsche Welle Akademie, GIZ).

 

Konfliktsensitiver Journalismus – Pilot-Workshop

Samstag, 9. November 2019, Essen, 10 bis 17 Uhr mit Mittagspause

Wie berichten wir über Konflikte? Werden wir dem Thema oder den Betroffenen gerecht? Kennen wir alle Seiten? Haben wir selbst Vorurteile und können wir sie auch über Bord werfen? Beziehen wir unsere eigene Position oder werden wir instrumentalisiert? Nichts ist schwerer als über Konflikte zu berichten, doch wie, ohne sie weiter anzuheizen…

Im Workshop Konfliktsensitive Journalismus wollen wir einige Grundprinzipien des Journalismus in den Fokus stellen, die eine konfliktsensible Arbeit hier in Deutschland fördern sollten – und diskutieren, wie wir sie trotz der Tendenzen hin zu einer „Erregungsgesellschaft“ einfordern und umsetzen können. Um die Dynamik von Konflikten besser zu verstehen, beschäftigen wir uns zudem mit einigen Aspekten der Konflikt- und Sprachforschung, der praktischen Friedensarbeit und der Sozialpsychologie.

Konfliktsensitiver Journalismus ist bisher vor allem in Ländern ein Thema, in denen Kolleg*innen über Gewaltkonflikte und Kriege berichten müssen. Doch eignen sich Aspekte dieses Ansatzes auch für die alltägliche Berichterstattung vor der eigenen Haustür. Gesellschaftliche und politische Spannungen zu scheinbar harmloseren Themen, wie Braunkohletagebau, Fahrverbote, Flüchtlinge, Wohnungsbau, Fleischverzicht – um nur ein paar aktuellere Ereignisse zu nennen – können in Zeiten der Sozialen Netzwerke zum explosiven Gemisch werden. Am Ende weiß niemand mehr, um was es eigentlich geht.

In einem zunehmend von polarisierenden Meinungen beherrschten gesellschaftlichen Klima wird es für Journalistinnen und Journalisten immer schwerer, in ihrer Berichterstattung für Klarheit und Aufklärung der Sachverhalte zu sorgen – ohne dabei womöglich zur Eskalation beizutragen oder sogar selbst Opfer eines Konflikts zu werden.

Seminarinhalte

  • Was ist konfliktsensitiver Journalismus, was ist Friedensjournalismus?
  • Einordnung „qualitätsjournalistischer“ Grundprinzipien in den konfliktsensiblen Kontext.
  • Grundlagen aus Forschung, Friedensarbeit und Sozialpsychologie: Verständnis, Analyse und Dynamik von Konflikten (generell – nicht nur gewalttätige!)
  • Input und Übung zu konfliktsensibler Sprache (Framing & Co.)
  • Hoffentlich viele angeregte Diskussionen!

Maximal 12 Teilnehmerinnen

Workshop-Gebühr  gefördert vom jb, für Nichtmitglieder 20 Euro – enthalten: Tagungsverpflegung: Kaffee, Tee, Kekse, Softgetränke, Mittagessen, Raummiete

Veranstaltungsort:

Unperfekthaus

Friedrich-Ebert-Str. 18 – 26

45127 Essen

https://www.unperfekthaus.de/

Bitte jetzt anmelden bei: Regina Völz regina.voelz@t-online.de mobil: 0172 5356 200