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„Beständig im Wandel“ – Grußwort von Gisela Brackert

jb-Ehrenvorsitzende Gisela Brackert (Foto: Christian Morgen)

Grußwort zur Eröffnung der Feier zum 30jährigen Bestehen des Journalistinnenbundes (jb) im Plenar-Saal des Frankfurter Römer am 01.07.2017

Von Gisela Brackert, Initiatorin und Ehrenvorsitzende des jb

 

Frankfurt am Main, 1. Juli 2017

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Kleindiek

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher Siegler

Sehr geehrte Frau Vorsitzende Küppers

Liebe Kolleginnen.

Das, was uns 1987 zur Gründung eines Journalistinnenbundes bewog, ist heute, trotz heftigen Einspruchs von den Rändern, in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Ohne Frauen ist kein Staat zu machen.

In einer Stadt, die 17 Jahre lang von einer Frau regiert wurde, der Oberbürgermeisterin Petra Roth, und die dieser Petra Roth in wenigen Tagen  die Ehrenbürgerschaft verleihen wird,  in dieser Stadt Frankfurt muss man das eigentlich kaum noch betonen.

Und doch: nichts ist für immer sicher. Auch nicht die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die bei uns seit 1948 im Grundgesetz verankert ist. Durchgesetzt übrigens auch von einer Hessin, der Kasseler Juristin und SPD Politikerin Elisabeth Selbert, der „Mutter des Grundgesetzes“.

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis die die Entscheider in Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien begriffen, dass dieser schlichte Satz in Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes –

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. –  dass dieser gesetzlich verankerte Anspruch auf Chancengleichheit ein Umsteuern in fast allen  Handlungsfeldern bedeutet. Dieser Prozess ist noch keineswegs abgeschlossen, wie der gerade vom Kabinett verabschiedete Zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zeigt. Das gilt auch für die Medien.

Und doch: Der Wind ist umgesprungen. Wir würden uns selbst lähmen, wenn wir das nicht sähen. Ein frauenfreies Impressum macht heute keinen guten Eindruck mehr. Es lässt das Medium alt erscheinen. Vorgestrig. Denn das pfeifen inzwischen alle Berater-Spatzen von den Dächern: Kreativität herrscht da, wo beide Geschlechter zusammen arbeiten.

Doch wie lang war der Weg, bis sich die Türen für Frauen öffneten!

Und an diesen langen Weg, will ich, als einer der Ältesten hier im Saal, doch noch mal kurz erinnern. –

Das kann sich von den Jüngeren ja keine mehr vorstellen, welchen Wirbel es auslöste, zum Beispiel, als die ARD das Wagnis einging, die heilige „Tagesschau“, damals noch Pflichtprogramm für alle Deutschen, zum ersten Mal von einer  Frau moderieren zu lassen!  Am 16. Juni 1976 war das, als Dagmar Berghoff, vorsichtshalber zunächst im Nachmittagsprogramm,  zum ersten Mal die Tagesschau moderierte. Ein Kollege stand im Hintergrund bereit, um einzuspringen, falls sie zusammenbrechen sollte, anfangen würde zu weinen oder ähnliches.  – Eine  absurde Vorstellung. Berghoff hatte lange Erfahrung als Schauspielerin und Hörfunk-Sprecherin. Doch Frauen vorm Mikrophon und noch dazu im Fernsehen hatten und haben neben aller Professionalität auch Rollenerwartungen zu erfüllen.

Als ich 1981 die Leitung des Frauenprogramm Hörfunk im Hessischen Rundfunk übernahm, eine Programmsparte, die es heute nicht mehr gibt, da begrüßte mich der Programmdirektor in der Runde der übrigen Kollegen mit folgenden Worten:

„Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand – und eine sanfte Zunge.“ – Ob er diesen guten Rat wohl je zu einem männlichen Kollegen gegeben hat?

Von den 156 hauptamtlichen Redakteuren des Hessischen Rundfunks waren damals übrigens nur ganze 16 weiblichen Geschlechts. Die meisten davon in Ressorts, bei denen es um die Belehrung der Unmündigen geht: Kinderfunk. Schulfunk – und eben: Frauenfunk. Keine Hauptabteilungsleiterposition war mit einer Frau besetzt und eine Intendantin schien ins Reich der Fata Morgana zu gehören. Eine Intendantin hat der Hessische Rundfunk zwar bis heute nicht vorzuweisen. Doch in anderen ARD-Anstalten sind sie durchgesetzt.

Erlauben Sie noch zwei weitere Beispiele aus jener Zeit, die der Gründung des Journalistinnenbundes vorausging. Sie haben sich in meine Erinnerung eingebrannt und sagen viel über das Zeitklima, auf das dieses Netzwerk antwortet.:

Dem ZDF Moderator Reinhard Appel hatten die Frauenverbände mangelnde Frauenrepräsentanz in seiner beliebten Sendereihe „Journalisten fragen – Politiker antworten“ vorgeworfen. Nun suchte er das Problem – wir schreiben das Jahr 1982 – auf folgende Weise zu lösen: Er lud 100 Berlinerinnen zum Gespräch mit dem damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens und titelte stolz: „100 Frauen befragen den Bundespräsidenten“. Alle gleichzeitig. Alle in einer Sendung. – Auf die ZDF Sendung  „ 100 Männer befragen die Bundeskanzlerin“ warte ich bis heute.

Und ein letztes Beispiel: Als Bundeskanzler Helmut Kohl – auf erheblichen Druck aus den eigenen Reihen  – 1985 die Professorin für Erziehungswissenschaften und Leiterin des Forschungsinstituts „Frau und Gesellschaft“, Dr. Rita Süßmuth zur Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit ernannte (das Aufgabenfeld Frauen wurde ihr erst ein Jahr später zugestanden), da wurde diese Personalie von dem damaligen Leiter des Presse – und Informationsamts der Bundesregierung mit folgenden Worten bekannt gegeben: „Wir haben ein neues Kabinettsmitglied. Es ist sehr hübsch.“

Wo Kompetenz und Persönlichkeit von Frauen so ausgeblendet werden, haben wir es mit einer Verzerrung der Wirklichkeit in der öffentlichen Wahrnehmung zu tun. Es rächt sich hier, dass sich der Journalismus so lange und ganz bewusst als Männerberuf definierte. Die damit einhergehende Einäugigkeit beim Blick auf die Wirklichkeit hat gesellschaftliche Folgen und tut der Demokratie nicht gut.

Es ist das Verdienst der neuen Frauenbewegung, gegen diese verzerrte Wahrnehmung seit den späten 70er/ frühen 80er Jahren lautstark und ideenreich Front gemacht zu haben. Der Journalistinnenbund ist ein spätes Kind dieser Frauenbewegung. Sie gehört zu unserer Gründungsgeschichte. .

Was waren 1987 unsere Ziele?

Auf dem Faltblatt, das wir mit Geld vom Bundespresseamt, gleich nach unserer Gründung in einer 2000er Auflage druckten und verschickten, haben wir uns  vor 30 Jahren so vorgestellt:

„Der Deutsche Journalistinnenbund ersetzt nicht die Mitgliedschaft in einem der klassischen Berufsverbände oder einer Journalistengewerkschaft. Er stellt keine Presse-Ausweise aus, leistet keine Rechtshilfe, ist nicht Tarifpartei. Sein Ziel ist, unter den im Journalismus tätigen Frauen – und dabei denken wir auch an die Kolleginnen in den Pressestellen – durch persönlichen Kontakt ein Netzwerk aufzubauen, das den Frauen in diesem angeblichen Männerberuf den Rücken stärkt, durch Kontakte, durch Informationen, durch Beratung.

Zugleich möchte der Deutsche Journalistinnenbund ein Forum sein, das die Kompetenz der im Journalismus tätigen Frauen auch öffentlich sichtbar macht durch Tagungen, Anhörungen, Hintergrundgespräche. Als Sprachrohr der in ihm zusammen geschlossenen Kolleginnen wird er in kritischen Fällen auch Position beziehen. Dabei geht es gleichermaßen um die Stellung der Frau in den Medien wie um die Darstellung der Frau durch die Medien

Der Deutsche Journalistinnenbund ist das, was seine Mitglieder aus ihm machen. Machen Sie mit.

So unser Selbstdarstellung vor 30 Jahren. Nichts davon muss ich zurücknehmen. Gestrichen haben wir einige Jahre nach Gründung nur das akzentuierte Deutscher Journalistinnenbund. Schon damit es beim Gebrauch des Kürzels DJB nicht zu Verwechslungen mit dem Deutschen Juristinnenbund kommt.

Doch was seine Mitglieder in diesen 30 Jahren unter sechs verschiedenen Vorsitzenden aus dem Journalistinnenbund (jb) gemacht haben, wird heute anders kommuniziert.  Die Zeit der gedruckten Faltblätter ist vorbei. Gehen Sie sehr geehrte Gäste,  auf unsere Homepage und klicken Sie sich durch die verschiedenen Angebote.

„Beratung“ geschieht heute über das Mentoring. Eine „Tagung “ heißt heute Barcamp. Für „Hintergrund-Gespräche“ zu innovativen Prozessen steht das Medien Labor. Im Forum und mit dem Watch-Salon stärken die Kolleginnen einander den Rücken, und über seine verschiedenen Auszeichnungen will der jb auf besondere Leistungen aufmerksam machen. Durch die Hedwig Dohm Urkunde auf eine journalistische Lebensleistung. Durch  den Marlies-Hesse Nachwuchspreis auf junge Talente. Und durch den Courage-Preis auf besonders aktuelle, gendersensible Berichterstattung.

Ersetzen Sie die Begriffe – und Sie haben, mit vielen jungen Gesichtern, den Journalistinnenbund von heute.

Ich finde, es ist ein kleines Wunder, dass dieses Netzwerk jetzt ins 30. Jahr geht. Dass sich noch immer Kolleginnen gefunden haben, die bereit waren und sind, den Karren zu ziehen. Nach mir waren das Inge von Bönninghausen, WDR, Ulrike Helwerth, Deutscher Frauenrat, Eva Kohlrusch von der Publikumspresse, Andrea Ernst, wieder WDR. Und nun liegt der Stab bei Rebecca Beerheide vom Ärzteblatt. Sie alle haben unseren Dank verdient, denn ehrenamtliche Vereinsarbeit ist zum raren Gut geworden heutzutage.

Es ist in diesem Zusammenhang aber auch von der Kollegin Marlies Hesse zu sprechen. Sie hatte sich nach ihrer Pensionierung bereit erklärt, ehrenamtlich die Geschäftsführung zu übernehmen und dieses Amt 16 Jahre lang (1994 -2010) innegehabt. Ein Glückfalls für den Verein, ein Stabilisator, der aus unserem 30 jährigen Bestehen nicht wegzudenken ist. Noch ist eine Nachfolgerin nicht in Sicht. Aber Marlies ist sicher zu Auskünften bereit, dass dieses Engagement durchaus seine reizvollen Seiten hat.

Als bezahlte Kraft hat In unserer Geschäftsstelle nach Karin Tippmann wieder eine Karin den Platz eingenommen. Mit einem Engagement, das über die bezahlten zwölf Stunden wöchentlich hinaus geht: Karin de Miguel-Wessendorf. Fröhlich, hilfsbereit und mit einem journalistischen Hintergrund.

Wo steht der Journalistinnenbund heute?

Die neuen Medien haben die gesamte Kommunikationslandschaft umgepflügt. Und davon sind alle betroffen, die Festen und die Freien, die Kolleginnen an der PR-Front so gut wie die Kolleginnen in den Redaktionen der großen Verlage und Medienhäuser. Programme und Arbeitsplätze sind im permanenten Umbruch. Festanstellungen sind rar geworden.

Das spiegelt sich auch in der Zusammensetzung unserer Mitglieder, wo Selbständige und sog. Freie die ganz große Mehrheit sind.

Es entstanden aber auch ganz neue Kommunikationslandschaften. Jede Zeitung hat heute ihre online-Redaktion. Jede Rundfunkanstalt auch. Der online-Journalismus ist ein großer Mark geworden. Karrieren werden aber auch über Blogs gemacht, selbstbestimmt und hochindividuell am eigenen PC. Gelegentlich sogar über Bücher, die im Selbstverlag erscheinen. Doch eine Voraussetzung gilt für alle Medienkarrieren heute: permanente Selbstvermarktung auf Twitter…

Alles Kommunikationslandschaften, in denen ich als Achtzigjährige nicht mehr zuhause bin.

Aber Ihr, liebe jb-Kolleginnen seid es. Das beweist unsere Webseite. Das beweisen der elektronische Newsletter und das Forum. Das beweisen zwei Twitter-Accounts, die Facebook Seite, und der Watch-Salon. Und das beweisen entsprechende Fortbildungsangebote.

Der jb – beständig im Wandel – ist also im 21. Jahrhundert gut aufgestellt.. So fällt es nicht schwer, ihm zu seinem 30. Geburtstag zu gratulieren. Ich bin stolz auf ihn.