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GMMP 2009: Ergebnisse für Deutschland

Das Ergebnis für Deutschland: Nur ein Fünftel all derer, über die in deutschen Nachrichten berichtet wird, sind Frauen, vier Fünftel sind Männer. Die Zahl ist kaum angestiegen seit 1995 und blieb gegenüber der letzten Auswertung 2005 unverändert.

Fünfzehn Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking kam dem vierten Monitoring eine besondere Bedeutung zu. Denn „Frauen und Medien“ war eines der zwölf als kritisch erwähnten Felder der Pekinger Aktionsplattform. Die in über 100 Ländern der Welt erhobenen GMMP-Daten wurden in die Frauenrechtskonferenz (54th Session of the Commission on the Status of Women) des Wirtschafts- und Sozialrats der UNO und damit in globale Schlüsselprozesse eingebracht.

Die Frauenrechtskonferenz fand im Frühjahr 2010 statt, die Erhebungen erfolgten daher ausnahmsweise schon 2009.

Fazit der Untersuchung 2009/2010

Die aktuellen Befunde: die Präsenz von Frauen in den Hauptnachrichten der deutschen Medien hat sich nur geringfügig verbessert. Ihr Anteil stieg von 15 Prozent in der ersten Zählung 1995 auf nunmehr 21 Prozent (s. WACC, www.whomakesthenews.org). Das Gesamtergebnis für Deutschland (21%) liegt niedriger als das für den europäischen Durchschnitt (26%).

Ausgewertet wurden repräsentativ ausgewählte Nachrichtensendungen elektronischer- und Printmedien im Hinblick darauf, wie häufig darin über Frauen namentlich berichtet, Frauen zitiert wurden oder Frauen die BerichterstatterInnen waren („overallpresence“). Ihr Status und ihr Beruf wurden zusätzlich notiert. Es zeigte sich, dass als Autorität mit Expertise zu 88% Männer dargestellt wurden, auch SprecherInnen von Gruppen oder Parteien waren zu 82% Männer.

Themenbereich Politik – Kanzlerin macht Schlagzeilen

Die meisten deutschen Nachrichten waren politische Nachrichten. Zum Vergleich: In Italien dominierten Nachrichten zu „Gewalt und Verbrechen.“ Von den 320 Nachrichten, die insgesamt ausgewertet wurden, waren 137 dem Bereich „Politik und Regierung“ (einer von zwölf Bereichen) zuzuordnen. Politik war Thema in 57% der Zeitungsnachrichten, 44% der Radionachrichten und 17% der Fernseh-Nachrichten.

In diesem Feld wurde auch die höchste Zahl von Frauen gezählt (96 von 800), dennoch repräsentierten sie damit nur 22% der „Nachrichtensubjekte“ im Bereich Politik.

Das ist besonders bemerkenswert, da in Deutschland gerade Angela Merkel für Schlagzeilen sorgte. Sie hielt am Stichtag, dem 20. November 2009, ihre Antrittsrede als wiedergewählte Bundeskanzlerin. Am Vortag hatte sie mit RepräsentantInnen aus dem In- und Ausland den 20. Jahrestag des Mauerfalls gefeiert, unter ihnen US-Außenministerin Hillary Clinton, was auch die Nachrichtenlage mitbestimmte (- und damit der Quote half).

Zudem kam Erika Steinbach in der Debatte um die geplante Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ zu Wort. Trotzdem betrug der codierte Anteil von Männern 88%. Einige Radionachrichten waren ganz frauenfrei.

Ausgewählte Ergebnisse der GMMP-Untersuchung 2009/10 für Deutschland:

Unterschiedliche Medien – Frauen als „Schmuckelement“?

Differenziert man die Nennung von Frauen nach Art der Medien, so lag das Radio mit 14% an letzter Stelle. Die Zeitungen zitierten Frauen zu 21%, im Fernsehen tauchten sie zu 28% auf.

Der höhere Prozentsatz im Fernsehen kommt vermutlich dadurch zustande, dass Frauenbilder als attraktiver gelten. Z.B. wurde eine Meldung zur Schweinegrippe mit einer erkrankten Frau illustriert.

Reichweite – Die Frau als „Heldin des Alltags“

In internationalen Nachrichten tauchten 12% Frauen auf, in Nachrichten aus Deutschland 21%, in Lokal-Nachrichten 31%.

Das korrespondiert damit, dass die Zahl der Frauen, die über persönliche Erfahrungen befragt wurden, 39% betrug und die Zahl derjenigen, die eine populäre Meinung repräsentierten, 33%.

Frauen werden vor allem dann zu „Nachrichtensubjekten“, wenn es thematisch um das Nahe geht, um’s Lokale, um eigene persönliche Eindrücke, also um Alltag, Familie, Gefühle.

Als Expertinnen, die Einschätzungen zu komplexen Themen abgaben, tauchten nur 12% Frauen auf. Als Sprecherinnen, die eine Organisation oder eine bestimmte Gruppe/Partei repräsentierten, kamen 18% Frauen vor. Frauen sind daher als Autoritäten stark unterrepräsentiert.

Art der Darstellung – „Die Schöne“ und „das Opfer“

Auch die Art der Darstellung von Frauen ist oft noch stereotyp. Sie werden durch Männer definiert oder als Opfer stilisiert.

„Bild Online“ präsentierte Antonia von Weizsäcker anlässlich ihres Auftritts in der ZDF-Serie „Traumschiff“ als Enkelin des ehemaligen Bundespräsidenten und „Deutschlands schöner Promi-Nachwuchs“.

Die Bild-Zeitung stilisierte Heidi Klum zum Opfer von Knebelverträgen.

WDR- und SWR-Radio-Nachrichten berichteten dagegen sachlich, dass vornehmlich Frauen durch die Insolvenz von Quelle und die Kürzungen bei Karstadt arbeitslos wurden. Für SZ, FR und Tagesspiegel gab es Anlass, sich nochmals mit den Folgen des Mords an der Ägypterin Marwa El-Sherbini zu beschäftigen. Auch von den drei nach einem Spionageverdacht vom Iran wieder freigelassenen amerikanischen Touristinnen handelten zwei Beiträge (FAZ und Welt).

GMMP 2005: Eine Studentin, Prof’in Jutta Röser (Leuphana-Universität Lüneburg) und Marlies Hesse, engagierte Koordinatorin des Journalistinnenbunds 1994-2009. Bildrechte: Annika Noffke

Überprüfung von Stereotypen – Die Opferkonstruktion

Die Opfer häuslicher Gewalt, nur drei insgesamt, waren in den Berichten ausnahmslos Frauen. Als Opfer von Gewaltverbrechen allgemeiner Art wurde von fünf Männern und drei Frauen berichtet. Sechs Männer und nur eine Frau repräsentierten die Opfer von Kriegen.

Tatsächlich sind Männer weitaus häufiger die Opfer von männlichen Tätern als Frauen, sie sind generell auch häufiger die Opfer von Verkehrsunfällen oder sogar von Mobbing durch männliche Chefs. Noch immer fällt es schwer, das zu sehen – ebenso wie die Tatsache, dass auch Frauen Täterinnen sein können. Die Bildzeitung bekräftigt weiterhin das Stereotyp von Frauen als Opfer.

Je differenzierter, desto mehr Frauen

In Online-Medien tauchten Frauen vor allem bei Boulevardthemen auf. Im Fernsehen wurde nur die Kanzlerin gezeigt. Im Radio war neben Angela Merkel auch von anderen Frauen die Rede. In den Zeitungen jedoch gab es sowohl die Kanzlerin als auch viele andere Frauen in Ministerämtern, im Sport (Fußball) oder bei anderen Themen (s. Erika Steinbach). Je differenzierter die Berichterstattung ist, desto häufiger werden Frauen berücksichtigt.

Fotos von Spitzenkräften – Bilder im Kopf

Von allen in den Nachrichten genannten Personen, wurden 15% der Männer und 20% der Frauen mit Foto abgebildet. Das mag mit der Dominanz der speziellen politischen Themen am 9. November 2009 zu tun haben.

Bezogen auf die Berufe oder den Status der „Nachrichtensubjekte“ ergab die Studie dagegen große Unterschiede. So wurden 41% des weiblichen politischen Personals im Bild gezeigt, aber nur 6% weibliche Topmanager und 14 % weibliche Wissenschaftler.

Wer präsentiert die Nachrichten?

Das GMMP zählt die News-Storys, nicht die Präsentierenden. Doppelmoderationen werden also nur einmal aufgenommen. Zusammengefasst wurden in Fernsehen und Radio 31% der Nachrichten von Frauen präsentiert. Der Eindruck war, dass Frauen als Moderatorinnen und Sprecherinnen häufiger als Männer eingesetzt werden, vor allem bei ARD und ZDF. Im Regionalfernsehen gab es viele Doppelmoderationen. In den Printmedien erschienen wenige Namensartikel von Frauen. Da meistens Kürzel verwandt werden, waren sie schwer zu identifizieren.

Weitere Informationen

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Medienbeobachtung am 16. Februar 2005 liegt unter dem Titel „Präsenz von Frauen in den Nachrichten. Medienbeobachtungen 2005“ gedruckt vor. Die Dokumentation enthält u. a. die quantitative und qualitative Auswertung von zwölf Fernseh- und acht Radio-Nachrichtensendungen öffentlich-rechtlicher und privater Sender sowie die von zehn Tageszeitungen am genannten Stichtag.

Ergänzt wird sie durch eine Zwölf-Wochen-Presseanalyse, die von einem Studienseminar an der Universität Lüneburg unter Leitung von Prof. Dr. Jutta Röser begleitend zum GMMP durchgeführt wurde. Die Broschüre kann über die JB-Geschäftsstelle bestellt werden.

Birgitta M. Schulte

Mehr zum Thema

GMMP 2010: 15 Jahre nach Peking (pdf)

„Präsenz von Frauen in den Nachrichten – Medienbeobachtungen 2005 (pdf)

„Margaret Gallagher: Geschlechtsrepräsentationen in den Medien: Beobachtungen und ein globales Bemühen, den Status Quo zu verändern [Januar 2006] (pdf)

„Vernachlässigt: Frauen in den Nachrichten führender Printmedien -Stichprobenuntersuchung 2004“, (pdf)

Homepage Global Media Monitoring Project

Kontakt: info@BirgittaM-Schulte.de