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Urteilsverkündung Journalistin Birte Meier gegen das ZDF – Revision beim Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat heute (25.6.2020) im Fall der ZDF-Journalistin Birte Meier entschieden, dass das Entgelttransparenzgesetz auch für Beschäftigte eines Unternehmens gilt, wenn sie dort nicht festangestellt sind.

Berlin/Köln 25.06.2020

Pressemitteilung

Urteilsverkündung Journalistin Birte Meier gegen das ZDF – Revision beim Bundesarbeitsgericht

Gleiches Recht für feste Freie – Der Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz gilt auch für sie

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat heute im Fall der ZDF-Journalistin Birte Meier entschieden, dass das Entgelttransparenzgesetz auch für Beschäftigte eines Unternehmens gilt, wenn sie dort nicht festangestellt sind.

Der Journalistinnenbund sieht in dem Urteil einen wichtigen Schritt, um den gesetzlich garantierten Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zu verwirklichen: Dies ist ein Erfolg für alle festen Freien, insbesondere beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auch sie können nun erfahren, ob sie dieselbe Entlohnung bekommen wie Kolleg*innen des anderen Geschlechts, die den gleichen Job machen.

Die jb-Vorsitzende Friederike Sittler: „Großer Dank gebührt vor allem Birte Meier, die, stellvertretend für viele Frauen, seit Jahren mutig und erfolgreich einen steinigen Weg geht und damit Klarheit schafft.“

Dennoch zeigt das Verfahren einmal mehr: Das Entgelttransparenzgesetz ist seinen Namen kaum wert. Der Auskunftsanspruch gilt nur in Betrieben über 200 Beschäftigte. Das Ergebnis kann zwar ein Indiz für Entgeltdiskriminierung sein und manche Firmen haben danach auch Gehälter angepasst. Er wird jedoch kaum wahrgenommen, weil Frauen andernfalls selber vor Gericht ziehen müssen.

Eine politische Forderung lautet daher, das Entgeltgesetz zu reformieren. Es kann nicht Sache der einzelnen Betroffenen sein, sich gegen alle Widrigkeiten Beweise zu verschaffen und sich jahrelang durch die Instanzen zu klagen wie Birte Meier, die das seit 2015 tut. Insbesondere ein Verbandsklagerecht wäre sinnvoll.

Der Journalistinnenbund fordert darüber hinaus alle Medienbetriebe – insbesondere die öffentlichen-rechtlichen Rundfunkanstalten – auf, ihre Gehaltsstrukturen selbstkritisch zu überprüfen und so transparent zu machen, dass gleiche Bezahlung für Frauen und Männer gewährleistet ist. Equal-Pay-Expertin und jb-Mitglied Angelika Knop: „Wer in der Berichterstattung auf Transparenz angewiesen ist und sie einfordert, muss sie auch selber liefern. Wer Gebühren von Männern und Frauen einnimmt, steht ganz besonders in der Pflicht, den Grundsatz der Gleichberechtigung aus dem Grundgesetzt umzusetzen.“

Frauen und Männer in Medienbetrieben fordert die Journalistin dazu auf, sich solidarisch mit Birte Meier und anderen Kolleg*innen zu zeigen. „Nehmt euren Auskunftsanspruch wahr, wenn ihr ihn habt. Nehmt eure Betriebe in die Pflicht, die eigenen Entgeltstrukturen zu überprüfen. Nur da, wo Daten erhoben werden, wird Ungleichheit sichtbar und zum Thema.“

Kritisch bewertet dagegen der Journalistinnenbund eine Versetzung von Birte Meier durch das ZDF, falls diese nicht mit ihrem Einverständnis erfolgen sollte.

Eine Anleitung, wie Journalist*innen aktiv werden können für Entgelttransparenz und den Auskunftsanspruch, finden sich im JB-Blog Watch-Salon:
https://watch-salon.blogspot.com/2018/03/entgeltgleichheit-Anleitung-fuer-Journalistinnen.html

Der jb setzt sich seit mehr als 30 Jahren für eine gleichberechtigte Rolle von Frauen im Journalismus und eine angemessene und ausgewogene Berichterstattung über Frauen in den Medien ein.

Zum Hintergrund:

Die Klägerin Birte Meier arbeitet als sogenannte „feste Freie“, also arbeitnehmerähnlich, als Redakteurin für das ZDF. 2015 reichte sie vor dem Arbeitsgericht Berlin Klage auf gleiche Bezahlung ein, weil sie erfahren hatte, dass männliche Kollegen für die gleiche Tätigkeit mehr Geld verdienten. Interne Beschwerden und Gespräche waren erfolglos geblieben. Als Anfang 2018 der Auskunftsanspruch im neuen Entgelttransparenzgesetz wirksam wurde, stellte sie außerdem einen entsprechenden Antrag an ihren Arbeitgeber, den Mittelwert (Median) der Gehälter ihrer Kollegen im gleichen oder gleichwertigen Job zu erfahren. Dieser gilt in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten. Das ZDF verweigerte die Auskunft mit dem Hinweis, diese stünde laut Gesetz nur festangestellten Mitarbeiter*innen zu. Auch dagegen klagte die Journalistin.

Die Klägerin verlor in erster Instanz und im Februar 2019 wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg auch in der Berufung alle Klagen ab. Im damaligen Urteil wird nicht bestritten, dass das ZDF in diesem Fall gleiche oder vergleichbare Tätigkeiten bei Männern und Frauen ungleich bezahlt. Sondern das Gericht hielt es für nicht erwiesen, dass dies eine Diskriminierung wegen des Geschlechts sei. Zahlreiche vorgetragene Indizien und Berichte über frauenfeindliche Äußerungen waren dem Gericht nicht Anlass genug, dazu überhaupt Zeugen anzuhören. Die Anwält*innen der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die die Klage seit 2016 unterstützt, sehen darin einen Verstoß gegen das Europarecht. Dies sieht in solch einem Fall eine Umkehr der Beweislast vor. Danach hätte das ZDF beweisen müssen, dass es nicht diskriminiert – nicht die Klägerin, dass sie diskriminiert wird.

Einzig in der Frage des Auskunftsanspruchs nach dem Entgelttransparenzgesetz ließ das LAG Revision zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt zu. Dies hat nun heute der Klägerin Recht gegeben. Der Auskunftsanspruch gilt damit auch für arbeitnehmerähnlich Beschäftigte.
Dies sind selbständige Erwerbstätige, die im besonderen Maße von einem Arbeitgeber abhängig sind und daher unter anderem auch in der Rentenversicherung versichert sind. Solche Arbeitsverhältnisse finden sich vor allem beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

In weiteren Klagepunkten hat Birte Meier Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Es ist derzeit nicht absehbar, wann darüber verhandelt oder entschieden wird.

 

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