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München 2012: Macht.Weiter.Denken.

Jahrestagung 2012 (Foto: Eva Hehemann)

Jahrestagung 2012 / Foto: Eva Hehemann

Journalistinnenbund initiiert „brave“ mit Kolleginnen im arabischen Raum und ehrt herausragenden Journalismus auf der Jahrestagung zum 25-jährigen Jubiläum „Macht.Weiter. Denken. Frauen in Medien und Gesellschaft“

„Der Dreischritt Qualität im Journalismus, Menschenrechte und Gender signalisiert das, wofür der Journalistinnenbund steht.“ Mit diesen Worten beschrieb die Vorsitzende Andrea Ernst die Ziele zum 25-jährigen Jubiläum.

Rund 200 Journalistinnen aus dem gesamten Bundesgebiet, Österreich und dem arabischen Raum trafen sich am Wochenende in München unter dem Motto „Macht. Weiter. Denken. Frauen in Medien und Gesellschaft“. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion um die gesetzlich verankerte Frauenquote für die gesamte Wirtschaft und die Pro-Quote-Forderung für die Medien stellte Ernst fest: „Die Bilanz der letzten 25 Jahre ist positiv. Diese Frauengeneration hat eine Bildungsrevolution erlebt. Dennoch sehen wir, dass die gläserne Decke in den Chefetagen vor allem der Printmedien erstaunlich stabil ist.“ Zugleich forderte Ernst dazu auf, mit ihrer Macht bewusst umzugehen: „Wir haben bereits Macht – durch unsere Themen und Ideen, durch die Informationen, die wir verbreiten, durch die Öffentlichkeit, die wir herstellen.“

Als Gastrednerin wies die Journalistin und Autorin Amelie Fried darauf hin, dass die Entscheider in den Medien großen Einfluss darauf haben, welche Rollenklischees und Stereotypen in den Medien und damit in die Gesellschaft transportiert werden – nicht nur in den Nachrichten, sondern auch im fiktionalen Bereich. Schon bei der Rollengestaltung von Heldinnen in Kinderserien werden althergebrachte Klischees transportiert und damit gefestigt. „Im Kinderfernsehen sind Mädchenfiguren entweder rothaarig und exzentrisch – oder blond, hilflos und angepasst, also wie Pippi Langstrumpf oder Annika.“ In Studien sei nachgewiesen worden, dass „die MedienmacherInnen ihre Vorstellungen von Mann und Frau im Produktionsprozess mit einfließen lassen.“ Da überwiegend Männer die Entscheidungen in den Medien träfen, „erscheinen Frauen deshalb so, wie sie von Männern gesehen werden.“ Frauen in den Medien ihrerseits zeichneten gern ein Bild von Männern, das mehr ihrem eigenen Wunschbild vom anderen Geschlecht entspreche als der Realität.

Der Journalistinnenbund gratulierte „ProQuote“ zum Erfolg ihrer Initiative und zur Gründung des Vereins. Die früheren Vorsitzenden Eva Kohlrusch und Ulrike Helwerth erinnerten in einem Workshop mit ProQuote-Vertreterinnen daran, dass man sich in dieser Forderung einig ist. Erste erfolgreiche Kooperationen haben bereits stattgefunden. In weiteren Gesprächen wird nun geklärt, wie die weitere Zusammenarbeit konkret gestaltet werden kann.

jb-Vorsitzende Andrea Ernst (re) im Gespräch mit Journalistin Amani Eltunsi

jb-Vorsitzende Andrea Ernst (re) im Gespräch mit Journalistin Amani Eltunsi / Foto: Eva Hehemann

Ein weiterer Höhepunkt war die Diskussion mit Kolleginnen aus dem arabischen Raum: Mit Amani Eltunsi aus Kairo (Ägypten), Gründerin des ersten Frauen-Internetradios im Nahen Ostens, Afef Abrougui, Bloggerin und Journalistin aus Tunis (Tunesien), Rula Asad, Journalistin aus Damaskus (Syrien), z.Zt. im Exil in Deutschland, und Stephanie Dötzer, die derzeit als freie Journalistin über die arabische Welt berichtet und zuvor in Doha (Katar) für Al Jazeera gearbeitet hat. Es wurde deutlich, welche Herausforderung es für europäische Kolleginnen und Kollegen bedeutet, über diese Lebenswirklichkeit differenziert zu berichten. Die Bedeutung dieser Arbeit wurde von der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Viviane Reding gewürdigt sowie von der Friedensnobelpreisträgerin und Menschenrechtsaktivistin Dr. Shirin Ebadi. Sie schreibt in ihrem Grußwort: „Die Arbeit von Journalistinnen wird zweifellos stärken, was wir derzeit in den Freiheitsbewegungen in Nordafrika auch beobachten können. Zudem sind Journalistinnen stets, wenn revolutionäre Männer die Rechte der Frauen ignorieren wollten, den Frauen zur Hilfe gekommen, indem sie durch die genaue Darlegung der patriarchalischen Kultur die Verletzung der Rechte der Frauen zu verhindern suchten.“

Die Veranstaltung ist zugleich der Auftakt für das Kooperationsprojekt „brave“ des Journalistinnenbundes, das den internationalen Erfahrungsaustausch ermöglichen soll. Das Projekt wird vom Auswärtigen Amt unterstützt.

Mit einem Festimpuls der Gründungs- und Ehrenvorsitzenden Gisela Brackert und der Ehrung herausragender Journalistinnen fand die Tagung am Sonntag im Rahmen einer festlichen Matinee im Bayerischen Rundfunk ihren Abschluss. „Ich bin sehr beeindruckt von dem langjährigen und sehr differenzierten und engagierten Einsatz des Journalistinnenbundes für die Belange der Frauen in den Medien,“ so begrüßte BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz die Gäste.

Die Hedwig-Dohm-Urkunde für besondere Verdienste im Journalismus wurde an die rbb-Hörfunk-Redakteurin Magdalena Kemper übergeben. Kemper ist eine der Initiatorinnen einer der ersten Frauensendung in der ARD, der Sendung „Zeitpunkte“ im SFB/rbb. Im Herbst wird die Redakteurin nach 40 Dienstjahren in den Ruhestand verabschiedet.

Den Nachwuchspreis „Andere Worte – neue Töne“ erhielt die WDR-Journalistin Anna Osius für das Hörfunkfeature „Vater, Sohn und das erfrorene Glück“ (WDR 5, 10.12.2011).

Ab 2013 wird dieser Preis um die Kategorie „Online“ erweitert und umbenannt: Er wird zu Ehren seiner Stifterin dann als „Marlies Hesse Nachwuchspreis“ vergeben.

Pressemitteilung: Qualität im Journalismus _Menschenrechte und Gender (PDF)